Börsenbericht: US-Leitzinssenkung voraus – Blickpunkt: Überschätzte Belastungen, unterschätzte Emerging Markets

Börsenbericht: US-Leitzinssenkung voraus - Blickpunkt: Überschätzte Belastungen, unterschätzte Emerging Markets

Börsenbericht: US-Leitzinssenkung voraus

Die Aktienmärkte nahmen zunächst in der Erwartung von Quartalsberichten und Zolleinigungen zwischen den USA und deren wichtigsten Handelspartnern eine abwartende Haltung ein. Eine Vereinbarung zu gegenseitigen Zöllen von 15 Prozent zwischen den USA und Japan wurde von den Märkten positiv aufgenommen. Insbesondere Automobilaktien reagierten mit Kursgewinnen. Der japanische Aktienmarkt setzte seinen Aufwärtstrend daraufhin beschleunigt fort, zumal sich Japans Wirtschaft im Frühjahr insgesamt besser als erwartet entwickelt hatte. Der Nikkei- 225-Index kletterte auf neue Rekordhöhen über 42.000 Punkte, in der Spitze auf 43.876 Zähler.

Nikkei-225-index erreicht Rekordhöhen

Nikkei-225-index erreicht Rekordhöhen

Enttäuschung nach Zollstreit-Einigung zwischen USA und EU

Auf die grundsätzliche Einigung zwischen den USA und der EU auf eine Zoll-Neuregelung wurde dann aber mit Enttäuschung reagiert. Den Belastungen der EU-Wirtschaft steht allenfalls die Erleichterung gegenüber, dass eine Eskalation des Zollstreits verhindert werden konnte. Teile des „Deals“ und dessen Umsetzung blieben zudem unschlüssig. Hierzu gehört beispielsweise die Verpflichtung der EU, bis 2028 Energieträger im Wert von 750 Milliarden US-Dollar und Halbleiter-Chips für 40 Milliarden US-Dollar aus den USA zu importieren. An den US-Märkten sorgten die „Zoll-Deals“ keineswegs für Freude, vielmehr machte man sich auch dort Sorgen um die Folgen, zumal sich erste Auswirkungen auf den US-Arbeitsmarkt und den US-Konsum zeigten.

Die US-Notenbank blieb gegenüber den Forderungen von Trump nach Zinssenkungen zunächst standhaft. Nach fünf Monaten der Schwäche erholte sich daraufhin der US-Dollar in der letzten Juliwoche auf zwischenzeitlich 1,14 US-Dollar je Euro. Angesichts von Schwächeanzeichen des US-Arbeitsmarktes keimte die Hoffnung auf eine US-Leitzinssenkung im September auf. Als die US-Inflationsrate für den Juli mit 2,7 Prozent veröffentlicht wurde, bestärkte das die Erwartung einer geldpolitischen Lockerung.

Stärkere Erwartung einer US-Leitzinssenkung im September

Allerdings lag die Kernrate ohne die stärker schwankenden Energie- und Lebensmittelpreise mit 3,1 Prozent deutlich über dem Ziel der Notenbank. Umso mehr wandte sich die Aufmerksamkeit der Märkte schließlich dem Notenbanken-Treffen in Jackson Hole zu. Tatsächlich bestärkte dort US-Notenbankpräsident Powell die Erwartung einer Leitzinssenkung im September: Weil die gegenwärtige Geldpolitik restriktiv wirke, ziehe man eine Änderung in Erwägung, erklärte er. Mit der Aussicht auf sinkende Leitzinsen verlor der US-Dollar schlagartig weiter an Wert. Der Euro sprang wieder über 1,17 US-Dollar je Euro. Auch die Kurse von Vermögenswerten wie Aktien und Edelmetallen profitierten von der Aussicht auf niedrigere Zinsen und einen schwächeren Dollar. Bei niedrigeren Zinsen wird der Zinsvorteil, der die US-Währung bislang stützte, kleiner und andere Vermögenswerte, die mit verzinslichen US-Dollar- Anlagen konkurrieren, werden relativ betrachtet attraktiver.

Dow Jones, S&P-500-Index und Nasdaq-100 mit neuen Rekordständen

Die Quartalszahlen der US-Tech-Konzerne wurden differenziert aufgenommen. Bei Microsoft und Meta sehr gut. Davon konnte der Gesamtmarkt zunächst nur wenig profitieren. Erst mit der Powell-Rede in Jackson Hole schwang sich der Dow Jones auf neue Rekorde über 45.000 Zähler auf. Der S&P-500-Index näherte sich im August erstmals in seiner Geschichte der Marke von 6.500 Punkten auf weniger als 20 Punkte an. Der Nasdaq-100 stellte Mitte August eine neue Rekordmarke bei 23.969 Zählern auf.

Die europäischen Aktienmärkte stiegen zeitweilig auch in der Hoffnung auf ein Ende des russischen Vernichtungskrieges gegen die Ukraine. Insbesondere die zentral- und osteuropäischen Aktienmärkte setzten ihre Aufwärtstrends beschleunigt fort. Polen und Rumänien gehen davon aus, neben den baltischen Staaten zu den nächsten Angriffszielen Russlands zu gehören. Ein von US-Präsident Trump angekündigtes Gipfeltreffen mit dem russischen Diktator Putin wurde von der Sorge begleitet, es könnte in Alaska um eine Zerlegung der Ukraine gehen. Nachdem Trump den Diktator hofiert hatte, waren die unmittelbar zuvor von Trump angekündigten neue US-Sanktionen gegen den Kreml und ein Waffenstillstand bis auf Weiteres vom Tisch.

Euro-STOXX-50 mit leichter Aufwärtstendenz

Euro-Stoxx-50 mit leichter Aufwärtstendenz

Der Euro-STOXX-50 konnte im Verlauf des Augusts zulegen, aber keine neuen Jahreshochs erreichen. Auch der Deutsche Aktienindex (DAX) zeigte sich ohne neue Rekordhöhen freundlich. Der Goldpreis pendelte unter recht kleinen Schwankungen um seinen Durchschnittspreis der vergangenen vier Monate von rund 3.350 US-Dollar pro Unze.

Blickpunkt: Überschätzte Belastungen, unterschätzte Emerging Markets

Blickpunkt: Überschätzte Belastungen, unterschätzte Emerging Markets

US-Präsident Trump treibt mit seiner „America first“- Politik die Deglobalisierung voran. Die internationale Arbeitsteilung wird ein Stück weit rückabgewickelt. In den USA sollen die Schornsteine wieder rauchen, auch im wörtlichen Sinne. Als Verlierer gelten insbesondere Länder im „Globalen Süden“, die Trump recht willkürlich mit Zöllen belegt. Investoren, die sich in den vergangenen Jahren bei Investments in den Emerging Markets zurückgehalten haben, sehen sich bestärkt. Doch die Auswirkungen der US-Politik auf viele Schwellenländer werden wohl überschätzt.

Emerging Markets weiterhin als globale Wachstumsmotoren im Fokus

Ein Blick auf die aktuellen und für die kommenden Jahre erwarteten Wachstumsraten zeigt, dass die Emerging Markets der globale Wachstumsmotor bleiben dürften. Das makroökonomische Umfeld insgesamt ist dort zunehmend attraktiver geworden. Wurden ausufernde Staatsschulden und galoppierende Inflation früher eher im oben genannten Globalen Süden vermutet, zeigt ein Blick auf die Daten, dass es sich dabei zunehmend um Probleme der etablierten Volkswirtschaften, allen voran der USA, handelt. Inflation und Staatsausgaben sind dagegen in den meisten Emerging Markets unter Kontrolle. Und während die „entwickelten Länder“ (Developed countries) vor großen demografischen Problemen stehen, dürften die Emerging Markets in den nächsten Jahren und Jahrzehnten von der Entwicklung profitieren.

Deutlicher Anstieg der Pro-Kopf-Einkommen in China und Indien

In einer von Oxford Economics veröffentlichten Studie wird erwartet, dass bis 2034 etwa 350 Millionen Haushalte in den Schwellenländern neu zur Mittelschicht gezählt werden können. Mit dem Anstieg der Pro-Kopf-Einkommen verändert sich deren Konsumverhalten deutlich. Der größte Zuwachs an Mittelschicht- Haushalten ist weiterhin in China und Indien zu erwarten. Allein bis 2030 dürften in China fast 80 Millionen Haushalte zusätzlich so einzustufen sein und 35 Millionen in Indien. Dann dürften zwei von drei Mittelklasse-Haushalten weltweit in Asien zu finden sein. Damit wird die Bedeutung der Binnenmärkte für die Emerging Markets weiter stark zunehmen und deren Abhängigkeit von Exporten in die USA abnehmen – eine Entwicklung, die Trump mit seiner Politik zusätzlich antreibt. Für Unternehmen in den Schwellenländern wird der Absatzmarkt in ihrer Heimat und in anderen Emerging Markets wichtiger als die Exporte in die USA.

Schwellenländer übertreffen Wachstum der etablierten Volkswirtschaften

Die Wachstumsprognosen für die Schwellenländer übertreffen mehrheitlich jene für die etablierten Volkswirtschaften. Für das laufende Jahr wird in den Schwellenländern mit einem Anstieg der Wirtschaftsleistung um 3,7 Prozent gerechnet, wozu Indien mit 6,2 Prozent Wachstum und China mit 4,0 Prozent maßgeblich beitragen. Dies ist zwar eine Abschwächung gegenüber den vergangenen Jahren. Aber die etablierten Volkswirtschaften trifft die Abschwächung auch – und zwar auf einem niedrigeren Niveau. So dürfte sich das Wachstum in den USA, das in den beiden letzten Jahren unter Präsident Biden bei jeweils knapp drei Prozent lag, im ersten Jahr der Trump-Regierung auf weniger als zwei Prozent abschwächen, das Weltwirtschaftswachstum von 3,3 auf 2,8 Prozent.

Die viel beachteten US-Importzölle fallen in der Praxis in den meisten Fällen niedriger aus als am „Liberation Day“ Anfang April von Trump angekündigt. Zudem machen die Exporte in den USA in den meisten Fällen nur den kleineren Teil der Ausfuhren aus, wenn man von Vietnam absieht, das mit einem hohen Teil seines Sozialproduktes von Exporten in die USA abhängig ist. Für China als größtes Schwellenland machen die Exporte insgesamt nur noch 20 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) aus und der Anteil der US-Exporte liegt bei nur drei Prozent.

US-Zölle bleiben ohne große Wirkung

In Indien, gegen das Trump hohe Zölle verhängte, spielen Exporte ohnehin keine so große Rolle und der Anteil davon, der in die USA geht, ist noch geringer. Leopold Quell, Fondsmanager für die Emerging Markets bei Raiffeisen Capital Management, bewertet die US-Zölle „langfristig gesehen nur als eine Fußnote und schwachen Move. Trump ist stark gegenüber den Schwachen und schwach gegenüber den Starken.“ China könne seine Stärken ausspielen.

USA geben Technologieführerschaft zunehmend an Asien ab

Anleger hätten in den vergangenen Jahren stark auf Technologie, zuletzt Künstliche Intelligenz, gesetzt und dabei übersehen, dass die USA die Führerschaft in wichtigen Schlüsselbereichen an Asien, insbesondere an China, verloren haben, so Leopold Quell. Die Emerging Markets würden in vielerlei Hinsicht falsch wahrgenommen. Asien sei krisensicherer als die meisten etablierten Märkte, vor allem im Vergleich zu den hochverschuldeten USA. Auch andere Fondsmanager halten die Emerging Markets bei Zukunftstrends wie der Energiewende oder der Künstlichen Intelligenz für gut gerüstet.

Louis Philipp Frank von der Investmentgesellschaft Invesco verweist dabei auf die Weltmarktführerschaft Chinas in den Bereichen Photovoltaik, Windkraft und E-Mobilität und den Vorsprung asiatischer Länder im Bereich Mikroelektronik und Computer. Indien habe die größte Zahl an Absolventen im Bereich Computerwissenschaften und spielt bereits eine wichtige Rolle in der Software-Entwicklung. Taiwan und Südkorea besetzen dagegen die weltweiten Spitzenpositionen bei der Herstellung von Mikrochips, Ersteres bei Prozessorchips, Letzteres bei Speicherchips. Für andere Schwellenländer sei dagegen ihr Rohstoffreichtum ein großer Vorteil. Beispiele, die Invesco-Mann Frank nennt, sind die Nickelförderung in Indonesien und der Lithium- und Kupferabbau in Chile. Alle drei Metalle sind für die Veränderungen in der Energiewirtschaft und für E-Antriebssysteme, namentlich die Herstellung von Batterien, von großer Bedeutung.

Dollarschwäche als Push-Faktor für Aktienmärkte der Emerging Markets

Die Investmentspezialisten beziffern die Bewertungslücke zwischen dem MSCI Emerging Markets Index und dem MSCI USA auf Basis von Bloomberg-Daten zum 31. Juli gemessen am Kurs-Buchwert-Verhältnis auf 63 Prozent. Der durchschnittliche Abschlag der vergangenen 20 Jahre habe nur 38 Prozent betragen. Eine Schwäche des US-Dollars, wie sie sich angesichts von Leitzinssenkungen in den USA abzeichnet, könnte wie mehrfach in der Vergangenheit ein Treiber für die Aktienmärkte der Emerging Markets werden. „Dies könnte ein günstiger Zeitpunkt für Investitionen sein“, schlussfolgert Louis Frank von Invesco. Insbesondere der Aktienmarkt in Brasilien, Thailand und Indonesien sei attraktiv bewertet.

 


Quelle: „GUT ZU WISSEN…“ erscheint bei der Drescher & Cie Gesellschaft für Wirtschafts- und Finanzinformationen mbH, Postfach 2165, 53744 Sankt Augustin. Trotz sorgfältiger Auswahl der von der Drescher & Cie GmbH als zuverlässig eingestufter Quellen und Informationen kann für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der Inhalte nicht gehaftet werden. Dies gilt insbesondere für Inhalte, die nicht von der Redaktion der Drescher & Cie GmbH, sondern von Dritten stammen. Inhalte der Redaktion sind anhand der jeweiligen Kürzel am Ende der redaktionellen Beiträge erkennbar, welche sich auf der Internetseite investmentredaktion.de/redaktion wiederfinden lassen. Die Inhalte der „GUT ZU WISSEN…“ dienen ausschließlich Informationszwecken. Sie stellen weder eine individuelle Anlageempfehlung noch eine Aufforderung zum Kaufoder Verkauf von Wertpapieren dar. Kein Teil der „GUT ZU WISSEN…“ oder dessen Format darf (auch auszugsweise) ohne die ausdrückliche vorherige schriftliche Zustimmung der Drescher & Cie GmbH oder ohne eine entsprechende schriftliche Vereinbarung mit der Drescher & Cie GmbH zur Nutzung der In halte und / oder des Formats der „GUT ZU WISSEN…“ (Nutzungsrecht) reproduziert, nachgedruckt oder sonst vervielfältigt oder verbreitet werden. Jede im Bereich eines gewerblichen Unternehmens hergestellte oder genutzte Kopie (auch auszugsweise) ohne Nutzungsrecht verpflichtet zur Gebührenzahlung an den Verleger. Regelungen zu einem Nutzungsentgelt im Rahmen einer Einräumung eines Nutzungsrechts bleiben unberührt. (c) 2021 Drescher & Cie GmbH
Facebook
Twitter
LinkedIn
XING
Telegram
WhatsApp

Hat Ihnen der Blog-Beitrag gefallen?

Melden Sie sich jetzt ganz einfach kostenfrei und unverbindlich an, um regelmäßig Tipps und Tricks rund um Geldanlagen, Finanzen und vielem mehr zu erhalten.

Weitere Beiträge