Interview mit Gabriele Radl: Damit das Geld auch im Alter reicht

Für die Nürnberger Nachrichten hat unsere Geschäftsführerin und Diplom Kauffrau Gabriele Radl sich mit der Reporterin Melanie Kunze rund ums Thema Geldanlagen ausgetauscht. Erfahren Sie im folgenden Interview, wie die ersten Schritte zur finanziellen Unabhängigkeit aussehen, ob Männer und Frauen anderes investieren und warum es nie zu spät ist, mit dem sparen anzufangen.

Melanie Kunze: Frau Radl, wie oft haben Sie schon den Satz gehört: Das mit dem Geld regelt mein Mann?

Gabriele Radl: Relativ oft. Deshalb kommen Frauen zu uns und lassen sich beraten lassen. Gerade bei älteren Frauen ist das so. Noch immer werden die Geldangelegenheiten vom Ehemann geregelt. Erst wenn die Frauen in eine Situation kommen, in der sie über Geld entscheiden müssen – sei es nach einer Scheidung oder dem Tod des Partners – dann wachen sie auf und beschäftigen sich mit dem Thema.

Melanie Kunze: Warum überlassen Frauen so oft Geldangelegenheiten ihren Partnern?

Gabriele Radl: Das liegt wohl immer noch an einem alten, traditionellen Rollenverständnis. Die Frau sorgt sich um die Familie, insbesondere um die Kinder. Der Mann verdient das Geld und ist der Versorger. Mein Eindruck ist, dass durch die Corona-Krise wieder mehr Frauen in dieses alte Rollenmuster zurückfallen. Unser Verein versucht, vor allem jüngere Frauen zu motivieren, sich selbst um Finanzfragen zu kümmern und die Hemmschwelle herabzusetzen.

Melanie Kunze: Wie liest man sich am besten in das Thema Geldanlage ein?

Gabriele Radl: Finanzblogs sind gut geeignet. Auf der Homepage der FinanzFachFrauen haben wir auch ein Video hochgeladen, in dem kurz erklärt wird, wie Frau am besten in das Thema Geldanlage einsteigt. Ich rate dazu, sich eine unabhängige Finanzberaterin zu suchen und sich umfassend aufklären zu lassen.

Melanie Kunze: Wäre die Bank meines Vertrauens dafür auch geeignet?

Gabriele Radl: Ja und nein. Die Banken wollen natürlich ihre Produktpalette verkaufen. Wenn man zu VW geht, bekommt man einen Golf oder Polo angeboten, aber keinen BMW. Ich empfehle immer, sich eine unabhängige Beraterin zu suchen, die neutral ist und auf die Lebens- und Berufssituation eingeht und auf die finanziellen Wünsche im Alter und auch in naher Zukunft.

Melanie Kunze: Wie sehen die ersten Schritte zur finanziellen Unabhängigkeit aus?

Gabriele Radl: Ich empfehle, so früh wie möglich zu starten. Man kann, sobald man das erste eigene Geld verdient, mit einem Fondssparplan starten. Man sollte sich fragen: Welche Summe kann ich monatlich gut verkraften? Das Geld ist dann weg vom Girokonto und kann schon nicht mehr ausgegeben werden.

Melanie Kunze: Für junge Frauen ist die Rente noch sehr weit weg. Ab welchem Alter sollten sie finanziell vorsorgen?

Gabriele Radl: Man sollte so früh wie möglich anfangen. Sobald eine junge Frau die Ausbildung startet und das eigene Geld verdient, sollte sie etwas weglegen. Nur so lernt man das Sparen. Über einen längeren Zeitraum macht man dann die Erfahrung, dass sich kleinere Beträge summieren.

Melanie Kunze: Und wenn man auf die Rente zugeht: Ist es dann zu spät, etwas anzusparen?

Gabriele Radl: Nein, es gibt immer eine Lösung. Ein Beispiel: Man zahlt ab dem 60. Lebensjahr monatlich 100 Euro in einen Fondssparplan ein, dann sind das über eine Laufzeit von fünf Jahren 6000 Euro. Bei einer Rendite von knapp neun Prozent kommen nach fünf Jahren rund 7000 Euro zusammen. Das klingt erst mal nicht viel. Aber: Es ist immerhin etwas. Geld, das man womöglich ansonsten nicht gehabt hätte.

Melanie Kunze: Welchen Mindestbetrag muss ich beim Fondssparen monatlich einzahlen?

Gabriele Radl: Man kann bereits mit 25 Euro starten. Ein Tipp von den Großeltern ist oft: stets ein Monatsgehalt als Notgroschen auf dem Girokonto lassen.

Melanie Kunze: Ist das heute noch realistisch?

Gabriele Radl: Ja, das ist absolut realistisch. Ich empfehle sogar mehr. Wenn es finanziell möglich ist, wären zwischen zwei und drei Nettogehälter besser. Oder man schreibt auf, wie hoch die monatlichen Ausgaben sind. Diese Ausgaben mal drei – das wäre ein guter Spar-Betrag, an den man in Notfällen schnell herankommt. Es kann ja immer wieder mal zu einer ungeplanten Ausgabe kommen wie eine kaputte Waschmaschine oder ein defektes Auto. Es ist nicht empfehlenswert, das Girokonto zu überziehen. Man zahlt hohe Überziehungszinsen, die selbst in der aktuell nahezu zinslosen Welt noch sehr hoch sind.

Melanie Kunze: Wenn man genug Geld auf der Seite hat, investiert man dann besser in Aktien oder in Fonds?

Gabriele Radl: Ich empfehle Fonds, weil Fonds die bestmögliche Risikostreuung im Vergleich zu Aktien haben. Bei Aktien ist man immer in einem Einzelrisiko. Beispiel Wirecard: Alle dachten, dass Aktien des Unternehmens eine gute Option wären. Dann kam das Desaster. Das hätte wohl kein Laie, kein Privatanleger vorhersehen können. Eine gute Expertise haben Fondsmanager und können entsprechende Recherchen durchführen.

Melanie Kunze: Investieren Männer anders als Frauen?

Gabriele Radl: Männer haben eine ausgeprägtere Zockermentalität. Frauen werden aber auch immer mutiger. Das erkennt man daran, dass in den Fondsdepots die Aktienquote steigt. Frauen denken im Vergleich zu Männern nachhaltiger und streuen mehr – und sind damit oft erfolgreicher.

Melanie Kunze: Gibt es typisch „weibliche“ Geldanlagen?

Gabriele Radl: Nein, eigentlich nicht. Es gab immer wieder Banken, die versucht haben, weibliche Produkte zu konzipieren. Wirklich erfolgreich war damit keine.

Melanie Kunze: Wie sinnvoll sind heute noch die guten alten Bausparverträge?

Gabriele Radl: Davon halte ich nichts. Am Bausparvertrag verdienen in der derzeitigen Situation nur die Bausparkassen. Wir bewegen uns seit Jahren in einem sehr niedrigen Zinsumfeld. Wenn man heute ein Darlehen bei einer Bank aufnimmt, dann bekommt man meist sehr gute Konditionen. Konditionen, die man mit einem Bausparvertrag eher nicht erhält. Früher erzielte man damit noch Guthabenzinsen von vier oder fünf Prozent. Bei einem Fondssparplan, selbst wenn er konservativ ist, hat man immerhin rund sieben Prozent Rendite.

Melanie Kunze: Sollte man sich, trotz Corona, jetzt eine Immobilie als Wertanlage zulegen?

Gabriele Radl: Ich rate momentan davon ab, eine Immobilie als Kapitalanlage zu kaufen, die man dann vermietet. Die Preise in den Ballungszentren sind exorbitant hoch. Unterm Strich – nach Inflation, Steuern und unter Umständen Ärger mit den Mietern – bleibt wenig übrig. Anders sieht es bei Immobilien aus, die man selbst nutzen möchte. Ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung sind empfehlenswert, weil man später, wenn man in Rente ist, hoffentlich mietfrei und ohne Schulden dort wohnen kann. 

Melanie Kunze: Könnte man darauf spekulieren, dass die Immobilienpreise wieder fallen und dann zuschlagen?

Gabriele Radl: Das hängt davon ab, wie wirtschaftsstark eine Region ist. Es gibt Fachleute, die prognostizieren, dass wir uns momentan in einer Immobilienblase befinden, die irgendwann platzt. Andere sagen, es gehe noch weiter nach oben. Meine persönliche Einschätzung ist, dass es sehr viel höher nicht mehr gehen kann.

Melanie Kunze: Wie sieht es mit einer Riester-Rente als Altersvorsorge aus?

Gabriele Radl: Auch hier muss man die persönliche Situation prüfen. Eine Angestellte hat andere Möglichkeiten zur Altersvorsorge als eine Selbstständige. Einer Angestellten würde ich empfehlen, betriebliche Altersvorsorge zu nutzen. Für Selbstständige, die in der Regel nicht in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, wäre eine Rürup-Rente interessant. Für Frauen mit Kindern ist die Riester-Rente interessant. Denn die Frauen können von Zulagen profitieren, die der Staat zahlt.

Melanie Kunze: Ist Gold eine sinnvolle Wertanlage?

Gabriele Radl: Davon rate ich ab. Gold hat hohe Transaktionskosten. Man zahlt Mehrwertsteuer und muss das Gold entsprechend aufbewahren. Langfristige Renditeanalysen haben gezeigt, dass Gold das Schlusslicht ist. Gold löst bei vielen ein Sicherheitsgefühl aus. Viele Deutsche haben Angst vor Aktien, vor allem Frauen. Aber: Aktien sind ja auch Sachwerte. Man investiert in eine Firma. Das kann langfristig im Hinblick auf den Inflationsausgleich die bessere Investition sein.

 

Quelle: www.nordbayern.de/1.11011193

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