Interview: Regulatorik und Bürokratie sind die entscheidenden Hemmschuhe, vor denen vor allem Frauen oft zurück­schrecken

Gabriele Radl und Simone Bußmann vom Arbeitskreis der FinanzFachFrauen über die Diversifizierung in der Finanzbranche und die veränderte Rolle von Maklerinnen im digitalen Zeitalter.

Interview: Elke Pohl

Seit 1988 gibt es den bundesweiten „Arbeitskreis der Finanzfachfrauen“, zunächst gegründet von einigen Spezialistinnen aus dem Finanz- und Versicherungsbereich. Ihr Ziel: Frauen das komplexe Thema Finanzen näherbringen und ihnen zeigen, dass es besser ist, sich selbst zu kümmern, als alles vertrauensvoll und leichtgläubig in die Hände von Ehemännern, Partnern oder Bankberatern zu legen. Im Laufe der Jahre haben über 50.000 Frauen bundesweit dieses Angebot genutzt. Anfang 1999 beschlossen in Hamburg sieben selbstständige Finanz- und Versicherungs-Spezialistinnen die Gründung des Vorläufers des „Bundesverbandes der Finanzexpertinnen (BuF) e.V.“. Auch der BuF verfolgte den Gedanken, ein Netzwerk aus ausschließlich selbstständigen Finanzberaterinnen und Versicherungsmaklerinnen zu knüpfen, die sich für eine individuelle und unabhängige Finanzberatung von Frauen einsetzten. Vor allem aber geht es dem BuF um Einflussnahme auf die Politik im Hinblick auf die berufsrechtlichen Regelungen für diese Berufsgruppe. Am 2. März 2018 schlossen sich der „Arbeitskreis der Finanzfachfrauen“ und der „Bundesverband der Finanzexpertinnen“ zu einem großen Netzwerk zusammen, um zukünftig besser Synergieeffekte zu nutzen. Seit etwa einem halben Jahr hat der Vorstand der FinanzFachFrauen zwei neue Vorständinnen. DER VERMITTLER wollte wissen, was genau sie dort vorhaben.

Der Vermittler: Wie sind Sie zur Finanzbranche gekommen?
Gabriele Radl: Nach Ausbildung und Studium war ich in verschiedenen leitenden Finanzpositionen in kleinen und mittelständischen Unternehmen im In- und Ausland tätig. Dabei habe ich Start-Up Erfahrungen im Neuen Markt mit Verkauf der eigenen Firma gesammelt. Von 2007 bis 2009 habe ich für eine Frauenfinanzberatung das Geschäft im Rhein-Main-Gebiet aufgebaut und habe danach zunächst ein Einzelunternehmen und ab 2013 eine GmbH im Finanzbereich gegründet. Heute firmieren wir als FIS Finanz- & Invest Services GmbH.
Simone Bußmann: Von 1996 bis 2015 war ich bei verschiedenen Banken im Bereich Vermögensberatung, Privat Banking, sowie als Wertpapierspezialistin und Coach tätig. 2015 gründete ich meine Firma Bußmann Vermögensberatung mit Standorten in NRW Vreden und BW Ludwigsburg.

Der Vermittler: Was hat Sie bewogen, im Vorstand der FinanzFachFrauen mitzuarbeiten?
Simone Bußmann: Wir FinanzFachFrauen sind auf der einen Seite Ansprechpartnerin für Frauen, die eine Beraterin für ihre Finanzen suchen, auf der anderen Seite fördern wir den Beraterinnen-Nachwuchs und stärken unser Netzwerk. Alle unsere Mitfrauen unterstützen unseren Ehrenkodex. Mir ist es wichtig, daran aktiv mitzuwirken. Mit Freude begeistere ich Frauen für das Thema Finanzen. Daher freue ich mich, mit so engagierten Frauen bei den FinanzFachFrauen zusammenarbeiten zu dürfen. Aktiv unterstütze ich weitere Frauen-Netzwerke, bin Mitglied im Verband Deutscher Unternehmerinnen sowie im Frauenbündnis Pforzheim-Enzkreis, aktiv beim Girlsday und privat als Mitglied im Bündnis für ökonomische Bildung. Außerdem fördere ich ehrenamtlich die Finanzbildung an Schulen und unterstütze mit meiner Vortragsreihe „Ohne Moos nix los“ in einigen Städte und Gemeinden die bundesweite Veranstaltungsreihe der Kontaktstellen „Frau und Beruf“. Ich habe einige Zeit in den USA verbracht, dort wird das Thema Finanzen und Aktien viel aktiver gelebt. Es ist noch viel Luft nach oben!
Gabriele Radl: Ich möchte vor allem jüngere Kolleginnen motivieren den Weg in die Selbständigkeit zu gehen und sich für unseren Beruf zu begeistern. Wir bilden aus und versuchen junge engagierte Frauen zu gewinnen. Zudem möchten wir unsere Kundinnen dazu bewegen, ihre Finanzen selbst in die Hand zu nehmen.

Der Vermittler: Was wollen Sie mit dieser ehrenamtlichen Arbeit bewirken?
Simone Bußmann: Wir Vorständinnen möchten neue Beraterinnen aller Altersklassen unterstützen und bestärken. Außerdem möchten wir Frauen mit Beraterinnen zusammenbringen, um ihnen eine langfristige und hochwertige Finanzberatung zu ermöglichen. Ohne aktiven Einsatz ist Vereinsarbeit nicht zielführend. Die FinanzFachFrauen gibt es seit 1988 und wir haben große Pläne.
Gabriele Radl: Wir wollen Beraterinnen gewinnen, die sich in unserem Netzwerk engagieren möchten und von den Erfahrungen der langjährigen Mitgliedsfrauen profitieren können. Was uns auszeichnet, ist eine qualitativ hochwertige Beratung. Wir suchen Kundinnen, die diese langfristig zu schätzen wissen. Das unterscheidet uns von vielen anderen Vertrieben.

Als Frauen sind wir im Finanzvertrieb nach wie vor in der Unterzahl. Die Ursachen dafür liegen schon in Erziehung und Schulzeit, wo eigentlich der Grundstein für den Wunsch nach finanzieller Unabhängigkeit und dem entsprechenden Wissen gelegt werden sollte. Das fehlt heute!

Der Vermittler: Wie schätzen Sie die Situation von Versicherungs- und Finanzmaklerinnen gegenwärtig ein?
Gabriele Radl: Wie alle Makler haben wir mit Regulatorik, Bürokratie und Vorgaben seitens der Gesetzgebung zu kämpfen. Als Frauen sind wir im Finanzvertrieb nach wie vor in der Unterzahl. Die Ursachen dafür liegen schon in Erziehung und Schulzeit, wo eigentlich der Grundstein für den Wunsch nach finanzieller Unabhängigkeit und dem entsprechenden Wissen gelegt werden sollte. Das fehlt heute! Deshalb bilden wir aus, bieten Praktika an und möchten künftig noch stärker mit den Schulen zusammenarbeiten.
Simone Bußmann: Regulatorik und Bürokratie sind auch für mich die entscheidenden Hemmschuhe, vor denen vor allem Frauen oft zurückschrecken. Insgesamt muss das Interesse für die Finanzberufe weiter gestärkt werden. Darum gehe ich in die Schulen und bin in sozialen Medien präsent. Für viele Frauen sind Berufe im Bereich Finanzberatung nach wie vor männlich. Das möchte ich ändern. Wir arbeiten an einem Blickwechsel. Aktionen wie die Berufsvorstellung beim Girlsday und insge samt die Nachwuchsförderung müssen noch aktiver betrieben werden.

Der Vermittler: Wie erleben Sie selbst Ihre Situation als Maklerin?
Gabriele Radl: Ich habe mich nach all den Jahren in einer sehr männerdominierten Branche gut etabliert und sehe eine große Chance für junge Frauen in diesem Beruf. Auch Quereinsteigerinnen finden hier Ihren Weg. Gute Beispiele dafür sind meine Kollegin und unsere Auszubildende, die eine Umschulung macht. Natürlich gehört Mut dazu, aber ebenso die Begeisterung sowohl mit Menschen als auch mit Zahlen zu arbeiten.
Simone Bußmann: Ich liebe meine Arbeit und freue mich in Frauennetzwerken viele Gleichgesinnte zu finden. Täglich bestätigen mir Frauen, dass sie sich eine weibliche Beraterin wünschen. Die steigende Zahl von Beraterinnen spornt uns weiter an! Nach über 20 Jahren Arbeit in männerdominierten Banken freut es mich, Frauen für Finanzberufe zu motivieren. Ich glaube eine ausgewogene Diversifizierung in der Finanzbranche kommt allen zugute.

Der Vermittler: Wo sehen Sie den Versicherungs- und Finanzvertrieb und die Rolle von Maklerinnen in zehn Jahren?
Simone Bußmann: Persönliche Beratung wird immer wichtig sein, die Nutzung der Technik sollte als Chance und nicht als Konkurrenz gesehen werden. Fakt ist, dass Einzelkämpferinnen – wie es der Name schon sagt – eher kämpfen müssen als solche, die sich zusammenschließen. Wir, die FinanzFachFrauen, bieten ein wichtiges Netzwerk für Beraterinnen. Es gibt viele Maklerinnen, die dabei sind, sich auf den Ruhestand vorzubereiten. Hier möchten wir mit gut ausgebildetem Nachwuchs unterstützen. Derzeit erleben wir einen Boom bei den FinTechs und NeoBrokern. Die Digitalisierung macht vieles möglich. Ein persönliches Gespräch, Vertrauen und Erfahrung sind allerdings nicht durch einen Computer zu ersetzen. Ich bin überzeugt, dass es in zehn Jahren nach wie vor persönliche Beratung geben wird.
Gabriele Radl: Die Banken- und Versicherungslandschaft wird sich enorm verändern, was eine große Chance für unabhängige Beraterinnen bedeutet. Persönliche, empathische und faire Beratung unterscheidet uns vom reinen Produktvertrieb und wird in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen. Das persönliche Gespräch mit den Kundinnen ist durch keine Maschine oder Fintechs zu ersetzen. Die Digitalisierung von Geschäftsprozessen unterstützen dabei zwar die Qualität unserer Beratung. Beraterinnen werden aber im Zeitalter der digitalen Informationsüberflutung gefragter sein als je zuvor. Und das auch noch in zehn Jahren.

Quelle: Der Vermittler, Juli 2021

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