Der Mai ist der alljährliche Höhepunkt der sogenannten Dividendensaison. Insbesondere in Kontinentaleuropa werden die Unternehmensgewinne des Vorjahres im Frühjahr für Ausschüttungen an die Aktionäre verwendet, sobald die Hauptversammlungen entsprechende Beschlüsse gefasst haben. Die Hauptversammlungstermine wiederum häufen sich im Mai, denn zu diesem Zeitpunkt ist nicht nur das Vorjahr buchhalterisch abgeschlossen, sondern auch das neue Jahr weit genug fortgeschritten, um eine Vorstellung vom Verlauf der Geschäfte zu haben. Die Aktionäre entscheiden dann über die Verwendung des Gewinns aus dem jeweiligen Vorjahr.
Trotz der zwischenzeitlichen Eintrübung der geschäftlichen Perspektiven bei vielen Unternehmen lief es 2021 bei den meisten sehr gut. Dementsprechend setzt sich der Trend zu höheren Gewinnausschüttungen fort. Wahrscheinlich werden die in diesem Jahr weltweit gezahlten Dividenden in die Nähe der Vor-Corona-Rekorde kommen oder diese sogar übertreffen. Die Investmentgesellschaft Janus Henderson hob ihre Dividenden-Prognosen für das Gesamtjahr 2022 jüngst leicht auf 1,54 Billionen USDollar an. Allerdings wies Jane Shoemake, Fondsmanagerin bei Janus Henderson bei der Veröffentlichung der jüngsten Daten und Prognosen ihres Hauses auf die Risiken hin: „Die Weltwirtschaft steht vor zahlreichen Herausforderungen: Krieg in der Ukraine, zunehmende geopolitische Spannungen, hohe Energie- und Rohstoffpreise, eine rasante Inflation und ein steigendes Zinsumfeld. Der daraus resultierende Abwärtsdruck auf das Wirtschaftswachstum wird sich auf die Unternehmensgewinne in verschiedenen Sektoren auswirken.“
Im ersten Quartal stiegen die Gewinnausschüttungen noch deutlich: „Die weltweiten Dividenden hatten 2022 unterstützt durch die besondere Stärke des Öl- und Bergbausektors einen guten Jahresauftakt. Dennoch haben wir ein Wachstum auf breiter Basis über verschiedene Sektoren und Regionen hinweggesehen.“ Laut dem aktuellen Janus Henderson Global Dividend Index stiegen die weltweiten Dividenden im ersten Quartal um 11 Prozent auf insgesamt 302,5 Mrd. US-Dollar – ein Rekord für das Auftaktquartal, in dem traditionell noch wenig Dividendenzahlungen stattfinden. Teilweise sei das Wachstum der Gewinnzahlungen auf die kontinuierliche Normalisierung der Ausschüttungen nach den pandemiebedingten Beeinträchtigungen zurückzuführen. Der Anstieg fällt im Jahresvergleich auch deshalb so hoch aus, weil es im ersten Quartal 2021 erhebliche Dividendenkürzungen gab, sodass die Vergleichsbasis niedrig ist. Laut Janus Henderson haben 81 Prozent der Unternehmen, die im ersten Quartal Ausschüttungen vornahmen, ihre Dividende im Vergleich zum Vorjahr erhöht. Weitere 13 Prozent haben sie konstant gehalten. Dividendenkürzungen oder Dividendenausfälle waren also die Ausnahme.
In den USA, in Kanada und Dänemark erreichten die Dividendensummen neue Rekordhöhen. In Nordamerika konnten vor allem Ölproduzenten und Banken höhere Gewinne ausschütten. Dänemark verdankt den neuen Rekord der Ausschüttung des Schifffahrtskonzern Moller-Maersk, der mit seinen Frachtschiffen 2021 vom starken Anstieg der Preise im internationalen Schiffsfrachtverkehr profitiert hat. Eine deutliche Schwäche zeigten die Ausschüttungen dagegen in Teilen Asiens, darunter in Hongkong, wo Corona-Lockdowns das Wirtschaftswachstum weiterhin beeinträchtigen. Nach Branchen sortiert sind es vor allem Unternehmen aus dem Öl- und Bergbausektor, die ihre Gewinne 2021 so steigern konnten, dass sie ihre Dividendenzahlungen erhöhen können. Die Dividenden von Bergbau-Unternehmen stiegen um fast 30 Prozent. Der multinationale Bergbaukonzern BHP wird 2022 das zweite Jahr in Folge der weltweit größte Dividendenzahler sein. Die Branche könnte in diesem Jahr erstmals insgesamt mehr als 100 Mrd. US-Dollar an Dividenden ausschütten. Langfristig machen Dividenden rund die Hälfte der Gesamtrendite von Aktieninvestments aus. Allerdings ist dies je nach Region und Branche sehr unterschiedlich. So schütten Technologie-Unternehmen im Durchschnitt nur einen kleinen Teil ihrer Gewinne aus, während die Dividendenzahlungen bei Strom- und Wasserversorgern oder auch Telekom-Konzernen traditionell eine höhere Bedeutung für die Gesamtrendite haben.
Im laufenden Jahr erwies sich die Orientierung an den Dividendenzahlungen bislang als gute Strategie. Aufgrund des starken Anstiegs der Rohstoffpreise, darunter des Ölpreises, steigerten Bergbau- und Ölkonzerne ihre Gewinne deutlich. Zu den erhöhten Dividenden kamen Kursgewinne. Fonds mit Dividenden-Strategien konnten im laufenden Jahr davon profitieren.