Blickpunkt: Vorsicht vor dem Drachen!

Fondsportraits: Acatis Qilin Marco Polo Asien Fonds

Die meisten Argumente, die für China-Investments vorgetragen werden, hören sich seit 20 Jahren gleich an. Doch die Zeiten zweistelliger Wachstumsraten sind vorbei. Und der Rückenwind aus der demografischen Entwicklung ist in Gegenwind umgeschlagen. Galt China früher als Wachstumslokomotive für die Weltwirtschaft, mutiert das Reich der Mitte zunehmend zum Sorgenkind. Die wirtschaftliche Entwicklung birgt inzwischen mindestens so viele Probleme wie Chancen. Im zweiten Quartal dieses Jahres schrumpfte Chinas Wirtschaftsleistung um 2,6 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Im Vergleich zum Vorjahresquartal sollte sich eine Erholung nach der Pandemie zeigen, aber Chinas Wirtschaft stagnierte praktisch mit einem Mini-Plus von 0,4 Prozent. Zudem können verantwortungsvolle Investoren die politischen Aspekte nicht ausblenden, die sich immer mehr zu einem Belastungsfaktor entwickeln.

Mit der vom Westen lange vertretenen Philosophie „Wandel durch Handel“ war die Hoffnung verbunden, autokratische Länder wie Russland und China würden bei verstärkten (wirtschaftlichen) Beziehungen eine Demokratisierung erleben. Nicht nur bezüglich Russland ist diese Politik krachend gescheitert. China befindet sich unter Machthaber Xi Jinping auf dem Weg in eine Diktatur. Der Nationale Volkskongress entschied 2018, die in den 1980er Jahren aus guten Gründen eingeführte Amtszeitbegrenzung des Staatspräsidenten aufzuheben. Im gleichen Jahr wurde Xi Jinping in seinem Amt als Präsident und Militärchef bestätigt. Mit einer dritten Amtszeit als Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas stellt der dann 70-Jährige in diesem Jahr die Weichen für eine „Präsidentschaft auf Lebenszeit“.

Im Rahmen von „Antikorruptionskampagnen“ wurden unliebsame Parteimitglieder und Konkurrenten entmachtet. Fast 100.000 Personen wurden wegen Korruption verurteilt. Die Familie Xi Jinpings hat unterdessen durch Ausnutzung ihrer politischen Beziehungen ein Vermögen von mehreren hundert Millionen Dollar erworben, wie Bloomberg schon 2012 veröffentlichte. 2014 enthüllte Offshore-Leaks, dass durch einen Schwager von Xi Jinping Gelder der Familie über Offshore-Unternehmen ins Ausland verlagert werden.

Unter Xi Jinping wird in China die Massenüberwachung der eigenen Bevölkerung stark ausgebaut. Seit 2017 geht die chinesische Regierung unter Berufung auf die Notwendigkeit größerer innerer Sicherheit mit einer besonders tiefgreifenden und repressiven Strategie gegen die Uiguren in Xinjiang vor, zu der unter anderem Masseninternierungen und umfassende Umerziehungsmaßnahmen gehören. Seit 2021 wird dies von verschiedenen westlichen Staaten offiziell als Genozid eingestuft.

Die Demokratiebewegung in Hongkong mit Massenprotesten wurde gewaltsam beendet. Gewählte Abgeordnete wurden von den Behörden aus dem Parlament ausgeschlossen, Oppositionspolitiker und Aktivisten zu Gefängnisstrafen verurteilt, unabhängige Medien verboten. Zunehmend aggressiv zeigt sich China unter Xi Jinping auch bei seinen Territorialansprüchen im südchinesischen Meer. Der Konflikt mit Taiwan schwelt seit mehr als 70 Jahren. Den Machtanspruch auf die „abtrünnige Provinz“ unterstreicht Peking immer öfter mit gezielten Provokationen.

Wer angesichts dieser Entwicklung „Business as usual“ verkündet, droht in den nächsten Jahren von der Entwicklung in China ähnlich negativ überrascht zu werden wie in Russland. Eine Rücksichtnahme auf die Interessen ausländischer Investoren gibt es nur, solange sie den Zielen Pekings dienen. China ist kein Rechtsstaat, in dem ausländische Investoren Aussicht auf Erfolg hätten, wenn sie Ansprüche mit juristischen Mitteln durchsetzen wollten. Die ersten Auswirkungen des politischen Konfliktes haben die Börsen längst erreicht. Peking greift unter Xi Jinping immer stärker in die Regulierung von Unternehmen ein – bis hin zum Verbot ganzer Geschäftsmodelle. Dies geschieht nicht in einem demokratischen Prozess und schließt die Möglichkeit aus, juristisch dagegen vorgehen zu können. Peking ist der Börsenhandel mit chinesischen Aktien außerhalb des eigenen Machtbereichs ein Dorn im Auge. Das Listing seiner Staatskonzerne an US-Börsen wird jetzt beschleunigt rückabgewickelt. Als die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, Taiwan besuchte, kündigten fünf große chinesische Staatskonzerne an, ihre American Depositary Shares (ADS) von der New York Stock Exchange (NYSE) zu nehmen: Die Ölkonzerne PetroChina und Sinopec, der Versicherungsriese China Life Insurance, der Aluminiumproduzent Chalco und der Chemiekonzern Sinopec Shanghai Petrochemical. Dies könnte innerhalb weniger Wochen vollzogen werden.

Es wäre nicht der erste chinesische Rückzug aus dem Aktienhandel in den USA. Die drei chinesischen Telekom-Konzerne China Telecom, China Mobile und China Unicom hatten die US-Börse bereits verlassen. Mit den beiden Fluggesellschaften China Eastern Airlines und China Southern Airlines wären dann nur noch zwei staatliche Unternehmen in den USA gelistet. Allerdings gibt es noch private chinesische Unternehmen, die sogar ihr Primärlisting in New York unterhalten, darunter die von vielen Fonds gehaltenen Alibaba, JD.com und Baidu. Die beiden Letztgenannten stehen auf einer Beobachtungsliste der US-Börsenaufsicht SEC. Denn in den USA herrschen strenge Vorschriften bezüglich der Offenlegung von Geschäftsergebnissen. Schon seit Jahren kommen chinesische Staatskonzerne diesen Verpflichtungen nur unvollständig nach. Zudem setzte die US-Regierung mehr chinesische Unternehmen auf schwarze Listen für US-Lieferanten und Investoren.

Während die Fondsbranche oft zweckoptimistische Töne verbreitet, waren vor diesem Hintergrund zunehmend warnende Stimmen von Fondsmanagern zu hören. Jason Pidcock beispielsweise, Fondsmanager des Jupiter Asia Pacific Income, erklärte seinen kompletten Rückzug aus China-Aktien: „Ich investiere lieber in Länder, die im Idealfall Demokratien sind, in denen es vor allem aber eine unabhängige Justiz gibt“, sagt er. Pidcock bewertet die innenpolitische Entwicklung in China und die schlechter werdenden internationalen Beziehungen, insbesondere zu den USA, negativ.

Die Entscheidung, die Allokation in Festlandchina auf Null zu setzen, sei vielleicht keine dauerhafte Haltung. Man gehe bei Jupiter aber davon aus, dass dies zumindest für den Rest der Regierungszeit von Präsident Xi Jinping der Fall sein wird, erklärt Pidcock weiter und verweist darauf, dass die Liste von Aktien, in die US-Investoren nicht investieren dürfen und für die US-Banken den Handel nicht ermöglichen, länger werden dürfte. Zudem erinnert er an die Probleme Chinas im Immobiliensektor, die negativen Auswirkungen der drastischen Null-Covid-Politik, die Deflationsgefahr und das Risiko eines militärischen Angriffs auf Taiwan, was die Wirtschaft in eine Abwärtsspirale führen würde: „Die Art und Weise, in der Russland geächtet wurde, könnte als Vorbild dafür dienen, was passieren könnte, wenn es zu einem Angriff auf Taiwan käme.“

Auch von deutschen Fondsmanagern waren jüngst warnende Stimmen bezüglich China zu hören: „Aus Anlegersicht sei die Frage nach dem attraktiveren Markt leicht zu beantworten. Hier hätten eindeutig die USA die Nase vorn“, erklärte beispielsweise Frank Fischer von der Shareholder Value AG. China habe in den vergangenen Jahren einige wirklich klasse Geschäftsmodelle wie Alibaba und Tencent hervorgebracht. Aber als Investor helfe es ihm ja nicht, wenn sein schönes Unternehmen plötzlich durch staatliche Reglementierungen gegängelt oder zerschlagen werde. Auch Ufuk Boydak, Fondsmanager bei Loys, sieht China eher als Beimischung als in einer Hauptrolle: Das politische Risiko in China werde auf unbestimmte Zeit fortbestehen.

Fazit: Reine China-Fonds sollten, wenn überhaupt, vorsichtig und nur als kleinere Depotbeimischung eingesetzt werden. Fondsmanager, die im gesamten asiatisch-pazifischen Raum oder sogar global investieren dürfen, können die Risiken besser streuen. ETF-Anleger sollten sich darüber hinaus des Klumpenrisikos im globalen Schwellenländerindex MSCI Emerging Markets bewusst sein. Gut 30 Prozent entfallen dort auf China, weitere knapp 15 Prozent auf Taiwan.

 


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