Börsenbericht: Die langersehnte Leitzinssenkung – Blickpunkt: Ende der Enttäuschungen bei den Emerging Markets?

Börsenbericht: Die langersehnte Leitzinssenkung - Blickpunkt: Ende der Enttäuschungen bei den Emerging Markets?

Börsenbericht: Die langersehnte Leitzinssenkung

Nach den vom steigenden japanischen Yen Anfang August ausgelösten Turbulenzen beruhigten sich die Kapitalmärkte rasch wieder. Hilfreich war dabei die Aussicht auf Zinssenkungen durch die US-Notenbank Federal Reserve, zumal mit dem Rückgang der US-Inflationsrate unter die Drei-Prozent-Marke der Weg für den ersten Lockerungsschritt seit März 2020 frei wurde. Gleichzeitig beruhigten neue US-Konjunkturdaten die Sorgen um die amerikanische Wirtschaft.

Die Aktienmärkte honorierten das positive Szenario aus robuster Konjunktur und bevorstehender Zinssenkung schon vor der Fed-Sitzung mit einer weitreichenden Erholung. Dabei kehrten einige globale und US-Aktienindizes auf ihre Rekordhochs aus dem Juli zurück.

Mit Spannung fieberten die Aktienmärkte den neuesten Quartalsergebnissen des KI-Chipherstellers Nvidia entgegen. Weil dieser in einigen Punkten die sehr hohen Erwartungen enttäuschte, musste der Aktienkurs einen prozentual zweistelligen Rückschlag hinnehmen. Die Börsen zeigten sich davon insgesamt wenig beeindruckt. Allerdings kehrten Anfang September die Sorgen um eine mögliche Überbewertung der KI-Geschäftsmodelle nochmals zurück.

Neben Nvidia gerieten auch andere Aktien der Mikrochip-Branche unter Druck, darunter insbesondere Broadcom. Dann aber profitierte die Stimmung für US-Technologie-Aktien von der Ankündigung einer Kooperation des Datenbank-Spezialisten Oracle mit dem Cloud-Dienst von Amazon, sodass sich auch dieser Sektor stabilisieren konnte.

Am 12. September gab die Europäische Zentralbank (EZB) wie erwartet bekannt, ihre Einlagefazilität um 25 Basispunkte auf 3,50 Prozent zu senken. Dies ist der Zinssatz, den Geschäftsbanken auf ihre Guthaben bei der Zentralbank erhalten. Die Senkung dürfte sich somit rasch bei der Höhe der Termin- und Festgeldzinsen für Sparer bemerkbar machen. Deutlicher fielen mit jeweils 60 Basispunkten (auf 3,65 bzw. 3,90 Prozent) die Zinssenkungen bei den Refinanzierungssätzen aus, zu denen sich Geschäftsbanken Geld bei der EZB leihen können. Diese Zinsen dürften sich mit etwas Verzögerung in fallenden Kreditzinsen für Bankkunden niederschlagen.

US-Notenbank mit erster Zinssenkung seit 2020

Am 18. September gab dann auch die US-Notenbank ihre Zinsentscheidung bekannt. Die erste Zinssenkung seit viereinhalb Jahren fiel mit einem halben Prozentpunkt hoch aus, was die Kapitalmärkte mit Kursgewinnen quittierten. Im März 2020 hatte die Fed angesichts der Corona-Pandemie zweimal ihren Leitzins gesenkt und dann für zwei Jahre unverändert belassen. In den Jahren 2022 und 2023 folgten 11 Leitzinserhöhungen, um die während der Pandemie entstandene Inflation wieder einzudämmen.

Entwicklung der Federal Funds Effective Rate seit 2014

Entwicklung der Federal Funds Effective Rate seit 2014

Mit den Leitzinssenkungen war an den Aktienmärkten der Weg zu neuen Rekorden frei, zumal in der letzten Septemberwoche auch die chinesische Zentralbank Maßnahmen ergriff, um die Konjunktur zu stützen. Ziel der People‘s Bank of China (PBoC) ist es vor allem, den schwächelnden Immobilien- und Finanzsektor des Landes zu stabilisieren. Das umfangreiche Maßnahmenpaket umfasst neben Zinssenkungen auch eine Kapitalspritze für die sechs größten Geschäftsbanken des Landes. Zuvor hatten sich die Konjunkturaussichten weiter eingetrübt, was weit über China hinaus Aktien stark belastete.

Auf die Maßnahmen reagierten deshalb nicht nur die chinesischen Aktienmärkte mit einem Freudensprung. In Hongkong schnellte der Hang Seng Index binnen weniger Tage um rund 20 Prozent nach oben. Weltweit verzeichneten die zuvor von ihrem großen China-Geschäft belasteten Unternehmen, darunter Luxusgüter- und Pkw-Hersteller, eine Erholung ihrer Aktienkurse. An der Wallstreet kletterte der Dow Jones Industrial Average erstmals in seiner langen Geschichte über 42.000 Zähler und der S&P-500-Index über 5.700 Punkte. Der Nasdaq-100-Index eroberte zwar die Marke von 20.000 Punkten zurück, erreichte aber sein Rekordhoch aus dem Juli bei 20.690 Zählern nicht.

S&P-500-Index auf neuem Höhenflug

S&P-500-Index auf neuem Höhenflug

Der Euro-STOXX-50 überwand erstmals seit Juli wieder die Marke von 5.000 Punkten und näherte sich den bisherigen Jahreshochs bei gut 5.100 Zählern aus den Monaten April und Mai. Der deutsche Aktienindex profitierte stark von den erhofften Konjunkturstimuli in China und erreichte neue Rekordwerte über die Marke von 19.400 Punkten.

Kursgewinne an den Anleihemärkten

An den Anleihemärkten überwogen bis Mitte September die Kursgewinne. Die wegweisende Rendite von US-Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit, die noch im April in der Spitze über 4,7 Prozent gelegen hatte, fiel bis auf nur 3,6 Prozent.

Während der Ölpreis unter dem Eindruck der schwachen Weltkonjunktur im September auf Mehr-Jahres-Tiefs sank, profitierte der Goldpreis von den fallenden Zinsen. Nachdem Anleger schon in den vergangenen Monaten das hohe Preisniveau für Gewinnmitnahmen bei ihren Goldinvestments genutzt hatten, ließ das Angebot von dieser Seite zuletzt nach. Der Preis für eine Feinunze Gold kletterte erstmals in ihrer Geschichte über 2.600 US-Dollar.

Börsenbericht: Ende der Enttäuschungen bei den Emerging Markets?

Als 1981 im Umfeld der Weltbank vorgeschlagen wurde, den negativ aufgeladenen Begriff Entwicklungsland (englisch Less Developed Country) zumindest für Volkswirtschaften mit einem global betrachtet mittleren Pro-Kopf-Einkommen durch den Begriff Emerging Markets (wörtlich übersetzt entstehende Märkte) zu ersetzen, war der positive Klang gewollt. In der deutschen Sprache nennt man Volkswirtschaften, die an der Schwelle zur modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft stehen, Schwellenländer.

Schon damals dürfte klar gewesen sein, dass das Überschreiten dieser Schwelle ein langer Prozess ist. Aber der Begriff Emerging Markets fand mit seiner positiven Konnotation recht schnell Verbreitung. Zunächst bei Ratingagenturen, die damit bei ihren Länderratings eine grundsätzliche Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Allgemeinen und der Bonität im Besonderen ausdrücken können.

In den entsprechenden Schwellenländern förderte das niedrige Lohnniveau die Entstehung von Produktionsstandorten und eine zunehmende Einbeziehung in internationale Handelsbeziehungen. Direktinvestitionen aus Industriestaaten und der damit verbundene Technologietransfer leisteten einen Beitrag zur Verbesserung der Terms of Trade (Tauschbedingungen im internationalen Handel).

Schon der Begriff Emerging Markets transportiert das Potenzial, das durch eine entstehende und wachsende Mittelschicht eine steigende Kaufkraft entsteht. Gerade dieser Aspekt wird von Fonds herausgestellt, die als Emerging Markets-Fonds in Unternehmen aus Schwellenländern investieren.

Dreiteilung des Anlageuniversums definiert Emerging Markets

Inzwischen hat sich eine Dreiteilung des globalen Anlageuniversums in Developed Markets (Industrieländer), Emerging Markets (Schwellenländer) und sogenannte Frontier Markets (Grenzmärkte) durchgesetzt. Letztere haben eine geringere Marktkapitalisierung und Marktliquidität als die besser entwickelten Schwellenmärkte. Der MSCI Emerging Markets-Aktienindex begann 1988 mit zehn Ländern und wuchs inzwischen auf über 20 Staaten an. Demgegenüber enthält der MSCI Frontier Index knapp 30 Staaten.

Der MSCI Emerging Markets Index bildet die Entwicklung von etwa 1.400 Aktien aus den Schwellenländern ab, wobei der US-amerikanische Finanzdienstleister und Indexanbieter MSCI die Aktien entsprechend der Streubesitz-Marktkapitalisierung gewichtet. Dieses Vorgehen ist auch bei den meisten anderen modernen Aktienindizes üblich. Dadurch werden in jedem Land etwa 85 Prozent der handelbaren Marktkapitalisierung abgedeckt.

Die höchsten Anteile entfallen auf Asien, namentlich die Volksrepublik China und Indien, gefolgt von den recht weit industrialisierten, aber weiter als Emerging Markets eingestuften Ländern Südkorea und Taiwan. Die wichtigste Aktie ist seit geraumer Zeit der taiwanesische Mikrochiphersteller Taiwan Semiconductor Manufacturing (TSMC). Der Höhenflug dieses Unternehmens als weltgrößter Chiphersteller konnte ein insgesamt schlechtes Abschneiden der Emerging Markets in den vergangenen Jahren allenfalls abmildern, aber nicht verhindern.

Underperformance in den Emerging Markets seit 2010

Schon seit 2010 ergibt sich eine Unterperformance gegenüber den vom starken US-Aktienmarkt geprägten Developed Markets. Vor allem seit 2021 blieben die meisten Emerging-Markets-Aktienfonds deutlicher zurück. Gründe dafür sind zum einen die enttäuschenden Entwicklungen in China, wo die Führung in Peking unter dem jetzigen Präsidenten nach Jahrzehnten einer sehr pragmatischen Wirtschaftspolitik stärker in die Märkte eingriff und damit Anleger verschreckte.

Zum anderen hat die Stärke der amerikanischen Währung die Emerging Markets belastet. US-Dollar-Anlagen waren zuletzt nach den Zinserhöhungen ab 2022 zunehmend attraktiv geworden. Investoren zogen in den vergangenen Jahren viel Kapital aus den Schwellenländern ab.

Zinswende in den USA als Einstiegszeitpunkt in Schwellenländerfonds?

Anbieter von Emerging-Markets-Fonds verweisen vor diesem Hintergrund auf den jetzt begonnenen Zinssenkungszyklus in den USA. Die US-Leitzinssenkung ermögliche nun auch den Notenbanken in den Schwellenländern eine Lockerung ihrer Geldpolitik. Zuvor mussten sie sich am US-Zinsniveau orientieren, um eine stärkere Abwertung ihrer Landeswährungen gegen US-Dollar zu verhindern. Eine schwache Landeswährung würde zwar die internationale Wettbewerbsfähigkeit stützen, aber die Rückzahlung der ganz überwiegend in US-Dollar aufgenommenen internationalen Kredite erschweren.

Insofern markiere der Zinsrückgang in den USA einen Vorzeichenwechsel für die Emerging Markets. Fundamental seien deren Währungen eher unterbewertet, sodass sich in den kommenden Jahren aus der Aufwertung der lokalen Schwellenländer-Währungen eine zusätzliche Performancequelle ergebe, argumentieren Fondsmanager jetzt.

Darüber, ob man jetzt besser auf eine Aufholjagd der chinesischen Aktienmärkte setzt oder an gut laufenden indischen Aktieninvestments festhält, scheiden sich die Geister. Chinas Zentralbank PBoC löste zumindest in der letzten Septemberwoche mit einem Maßnahmenbündel einen Freudensprung an den chinesischen Börsen aus, um wie oben beschrieben den angeschlagenen Immobilien- und Finanzsektor des Landes zu stützen. Das ungewöhnlich große Paket umfasst neben Zinssenkungen, die Immobilienkredite billiger machen, auch eine Kapitalspritze für die sechs größten Geschäftsbanken des Landes.

China-Skeptiker werten die angekündigten Maßnahmen als Eingeständnis, dass die bisherigen Stützungsversuche nicht ausreichten. Die Börsen freuen sich aber über die zusätzlichen Mittel und konnten zumindest den jüngsten Abwärtstrend brechen. Ob es der Startschuss für eine größere Trendwende ist, wird nicht zuletzt in Peking entschieden. Chinas Wirtschaft war im zweiten Quartal nur um 4,7 Prozent gewachsen und hatte damit das verkündete Wachstumsziel der Staatsführung verfehlt. Präsident Xi muss nun entscheiden, ob die Märkte weiter gestützt werden oder ein Konfrontationskurs gegenüber anderen Ländern die Probleme vergrößert.

Das aktuelle Bewertungsniveau der Emerging Markets liegt zumindest nicht nur weit unter dem der Developed Markets, sondern auch klar unter dem eigenen historischen Bewertungsdurchschnitt der Emerging Markets. Wer nicht ohnehin schon antizyklisch die Schwächephase für den Aufbau von Positionen genutzt hat, sollte also jetzt überlegen, auf die jüngsten Signale hin ein Emerging Market-Investment ins Auge zu fassen.

 


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