Börsenbericht: Die Rückkehr der Zinssorgen. Blickpunkt: Mischfonds im Härtetest

Börsenbericht: Die Rückkehr der Zinssorgen. Blickpunkt: Mischfonds im Härtetest

Börsenbericht: Die Rückkehr der Zinssorgen

Der wichtigste Einflussfaktor für die Börsen blieb auch in den letzten Wochen des Jahres die Geldpolitik der Notenbanken. Hierbei stellen sich viele Fragen: Ist der Höhepunkt der Inflation bereits überschritten? In welchem Umfang schwächt sich die Wirtschaft ab? Eine Schwächephase oder eine Rezession mit einer rückläufigen Wirtschaftsleistung würde die Inflationsgefahr verringern und könnte die Notenbanken schon im Jahr 2023 veranlassen, ihre Geldpolitik wieder zu lockern.

Bei der US-amerikanischen Notenbank Federal Reserve (kurz Fed) entscheidet der sogenannte Offenmarktausschuss (Federal Open Market Committee, kurz FOMC) regelmäßig über die Leitzinsen. Das Protokoll dieser Sitzungen wird zeitversetzt veröffentlicht und ist dann regelmäßig Gegenstand von Spekulationen bezüglich der weiteren Geldpolitik. Anfang Dezember sahen sich diejenigen bestätigt, die für 2023 ein verlangsamtes Tempo bei den Zinserhöhungen erwarten. Wenig später bestärkte auch Fed-Präsident Jerome Powell mit Äußerungen diese Erwartung. Allerdings dämpften mehrfach starke Daten von der Konjunktur, der Preisentwicklung und vom Arbeitsmarkt diese Hoffnung. Beispielsweise steigen die Löhne in den USA deutlich, die Arbeitslosigkeit ist gering und die Ausgabenbereitschaft der Privathaushalte im Ergebnis hoch.

Die Fed am Scheidepunkt

So gewannen im Dezember schließlich die Sorgen überhand, die US-Notenbank könne ihre Leitzinsen 2023 weiter anheben müssen als im Oktober und November von vielen erwartet worden war. Zwar erhöhten die beiden wichtigsten Notenbanken, die Fed in den USA und die europäische Zentralbank (EZB) für die Euro-Zone, ihre Leitzinsen wie erwartet im Dezember nur um jeweils einen halben Prozentpunkt. Aber die Begründung dieser Entscheidungen bestärkten im Ergebnis die Sorgen, denn sowohl die Fed als auch die EZB korrigierten ihre Inflationserwartungen für 2023 nach oben. Zudem wird die EZB ab März ihre Anleihebestände um monatlich 15 Mrd. Euro abbauen. Überraschend hob auch die japanische Notenbank, die Bank of Japan (BoJ), den Zielbereich für Anleiherenditen an. Damit signalisierte sie, auch in Japan die Liquiditätsversorgung zu begrenzen.

Im Jahr 2022 wurde die Fed Funds Rate als wichtigster Leitzins in den USA in sieben Schritten von zunächst 0,0 bis 0,25 Prozent auf die Bandbreite 4,25 bis 4,5 Prozent angehoben. Die Europäische Zentralbank (EZB) folgte mit vier Anhebungen ihres Hauptrefinanzierungssatzes von 0,0 auf jetzt 2,5 Prozent. Zählt man weltweit alle Zinsschritte von Notenbanken zusammen, kommt man für das Jahr 2022 auf die rekordverdächtige Zahl von 357 Zinserhöhungen gegenüber nur 15 Leitzinssenkungen. Daran wird sich bis zum Jahresende nicht mehr viel ändern können, denn zwischen dem 22. Dezember und dem Jahresende plant nur noch die Notenbank von Uruguay ein Treffen des Entscheidungsgremiums. Die Banco Central del Uruguay hatte zuletzt Mitte November ihren Leitzins um einen halben Prozentpunkt auf 11,25 Prozent angehoben.

Sorgen um weitere Zinserhöhungen lassen Anleihekurse fallen

An den Anleihemärkten hatte die Hoffnung auf eine Verlangsamung von Inflation und restriktiver Geldpolitik im November für eine Kurserholung gesorgt. So war die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen vom Hoch bei 4,3 Prozent auf rund 3,7 Prozent gesunken. In den ersten Dezembertagen setze sich der Renditerückgang bis knapp über 3,4 Prozent fort, bevor die Sorgen zunahmen und die Rendite auf etwas über 3,7 Prozent stiegen ließ. Abwärts mit den Kursen von Anleihen ging es auch in Europa. Der Bund-Future, der die Kursentwicklung von deutschen Staatsanleihen widerspiegelt, hatte am 7. Dezember ein Zwei-Monats-Hoch bei gut 143 Prozent erreicht. Bis vor Weihnachten ging es bis auf rund 135 Prozent bergab – also fast bis auf das Kursniveau des Zehn-Jahres-Tiefs von Mitte Oktober.

Technologieaktien verlieren

Auch an den Aktienmärkten hatten die Hoffnungen auf eine weniger strenge Geldpolitik der Notenbanken bis Anfang Dezember für steigende Aktienkurse gesorgt. In New York erreichte der Dow Jones Industrial Average Index Anfang Dezember rund 34.700 Zähler und übertraf damit sein Hoch aus dem Sommer geringfügig. Der breiter gefasste S&P-500-Index schaffte das nicht. Noch schwerer tat sich der von Technologie-Aktien geprägte Nasdaq-100-Index, der das Jahr bei 16.320 Punkten begonnen hatte, Anfang Dezember aber kaum über 12.000 Zähler hinauskam und im Monatsverlauf wieder unter 11.000 Punkte zurückfiel. Einmal mehr war es die Aussicht auf höhere Zinsen, die Technologie-Aktien belastete. In Europa führte der Kursanstieg den Leitindex Euro-STOXX-50 zwar Anfang Dezember deutlich über seine Zwischenhochs aus dem Sommer: Die runde Marke von 4.000 Punkten wurde erreicht. Dann aber wollte sich die Kurserholung nicht als Jahresendrallye fortsetzen. Für viele europäische Volkswirtschaften wird für 2023 eine Rezession erwartet. Die Aussicht auf höhere Zinsen bei gleichzeitig schwächerer Wirtschaft drückte den Euro-STOXX-50 wieder auf rund 3.800 Punkte.

Börsenbericht: Die Rückkehr der Zinssorgen. Blickpunkt: Mischfonds im Härtetest

China Abschied als Weltkonjunkturlokomotive

Innerhalb der sogenannten Emerging Markets galt die Aufmerksamkeit weiterhin vor allem China. In offenen Protestkundgebungen wurde die zunehmende Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem Regime und seiner Corona-Politik deutlich, was auch auf die Stimmung an den Aktienmärkten drückte. Peking lockerte daraufhin seine Null-Covid-Politik, handelte sich damit aber rasch steigende Infektionszahlen ein. Kurz vor dem Jahreswechsel sieht es nicht so aus, dass die chinesische Volkswirtschaft 2023 als Weltkonjunkturlokomotive fungieren kann.

Börsenbericht: Die Rückkehr der Zinssorgen. Blickpunkt: Mischfonds im Härtetest

Exkurs: Mischfonds im Härtetest

Viele Mischfonds, die bis 2021 Sympathien und Kapital der Anleger für sich gewinnen konnten, erlitten 2022 hohe Verluste. Bei einem Minus von rund 10 Prozent für das bald auslaufende Jahr liegen flexible Mischfonds Mitte Dezember sogar schlechter, darunter viele Schwergewichte wie der FvS Multiple Opportunities. Die meisten Mischfonds verloren 2022 damit mehr, als sie im Jahr zuvor gewonnen haben. Anleger, deren Fonds heute so viel wert sind wie vor zwei Jahren, gehören noch zu den Glücklichen. Nicht wenige sind jetzt nicht mehr wert als schon 2019. Der Härtetest der vergangenen drei Jahre trennt die Spreu vom Weizen. 2022 war ein ungewöhnlich herausforderndes Jahr an den Börsen. Die Rückschläge an den Aktienmärkten, mehr noch bei Anleihen, übertrafen die meisten Erwartungen. Dass es aber das Vorstellungsvermögen so mancher Fondsmanager übertraf, sollte zu denken geben.

War die Toxizität von Inflation und Zinsanhebungen vorhersehbar?

Man kann es als Tail risk einstufen, dass die Inflation mit einer solchen Wucht zurückkehrte. Geschwindigkeit und Ausmaß der Leitzinserhöhungen durch die US-Notenbank waren so nicht zu erwarten. Aber dass die Inflation nicht für alle Zeiten tot war und Anleihen statt eines risikolosen Zinses inzwischen zu einem zinslosen Risiko geworden waren, galt schon vor ein bis zwei Jahren als oft zitierte Binsenweisheit. Welchen Hebel bereits die ersten Zinsanhebungen auf die Kurse von Anleihen haben würden, wenn deren Rendite nahe null lag, konnte man sich mit dem kleinen finanzmathematischen Einmaleins ausrechnen. Zumindest als professioneller Anleger wusste man also, wie dünn das Eis inzwischen war. Zur Ehrenrettung der Fondsmanager muss man sagen, dass viele das historisch schlechte Rendite-Risiko-Verhältnis lange vorausgesehen hatten. Der Kölner Dachfondsmanager Eckhard Sauren beispielsweise war mit seiner Warnung vor der Zinsfalle ein paar Jahre zu früh dran. Auch andere Fondsmanager haben schon seit Jahren Anleihen mit langer Duration nur noch mit der Kneifzange angefasst und die mittleren Laufzeiten aus ihren Portfolios weitgehend entfernt.

Falsches Narrativ von ausbleibenden Zinsanhebungen durch Staatsschulden

Das Narrativ, die Zinsen könnten gar nie mehr steigen, weil dann die Staatsschulden nicht mehr finanzierbar seien, wurde gerne verbreitet. Übersehen wurde dabei, dass die nominal höheren Zinsen nur auf die neuen Anleiheemissionen zu zahlen sind. Bis die höheren Marktzinsen also die Staatsschulden nennenswert belasten, vergeht Zeit. Vor allem aber steigen die realen Lasten für die Staatshaushalte nicht, wenn die höhere Inflation zu einer realen Entschuldung führt. Nicht ein Anstieg der Nominalzinsen ist das Problem der Finanzminister. Ihr Horrorszenario wäre nur ein Anstieg der Realzinsen. Der Anstieg der nominalen Zinsen ist also das Problem derer, die auf Anleihen mit Mini-Zinskupons oder ganz ohne Verzinsung sitzen. Für sie führte der Anstieg von Inflation und Marktrenditen zu hohen Kursverlusten. Ein Szenario, das früher oder später so oder so ähnlich zu erwarten war.

Bewertungen bei Tech-Aktien lassen Erinnerungen an 90er Jahre wach werden

Auf der Aktienseite kam es ebenfalls, wie es kommen musste: Von einer Welle der Technologie-Euphorie getragen, erreichten Tech-Aktien im vierten Quartal 2021 Kursniveaus, die nur im Vergleich zur New Economy-Begeisterung in den späten 1990er Jahren noch rational aussahen. Qualität und Wachstum waren die Argumente, die hohe Prämien in der Bewertung rechtfertigten. Value sei tot oder müsse zumindest neu und moderner interpretiert werden. Dass das Eis für Long duration-Aktien sehr dünn war, musste eigentlich erkennbar gewesen sein. Auch auf der Aktienseite gab es nicht wenige Fondsmanager, die diese Risiken rechtzeitig gesehen hatten – meist so früh, dass ihnen die Outperformance der großen US-Tech-Aktien 2021 fehlte, zumal diese in den meisten Aktienindizes ihr Gewicht hatten weiter ausbauen können.

Die Gleichzeitigkeit von Kursverlusten mit Anleihen und Aktien ist für Mischfonds ein großes Problem, basiert ihre Strategie doch grundsätzlich darauf, dass die Diversifizierung über beide Asset-Klassen aufgrund deren geringer oder sogar negativer Korrelation größere Verluste vermeidet. Wenn die Aktienmärkte auf breiter Front fallen, sollen Anleihen Stabilität bringen. Wenn Anleihen niedrige Renditen bringen, sollen Aktien für Kursgewinne sorgen. Aber dass im Fall eines Inflations- und Zinsanstiegs beide Asset-Klassen gleichzeitig Kursverluste erleiden, sollte Fondsmanager nicht überraschen.

Mischfonds mit dreijähriger Verlustphase ggf. aussortieren

Gibt es im aktiven Fondsmanagement also nur Verlierer? Solche, die bis 2021 underperformt haben, weil sie antizyklisch und damit zu früh die Risiken vermieden haben? Und solche, die zwar bis Ende 2021 von den vorherrschenden Trends profitiert haben, dafür aber 2022 zu den Verlierern gehören? Das wechselhafte Börsenumfeld der drei vergangenen Jahre ist ein guter Teststand für aktives Fondsmanagement. Fonds, die gegenüber Anfang 2020 im Plus sind, haben den Härtetest bestanden, wenn auch viele von ihnen mit einem blauen Auge. Bei Mischfonds, die jetzt über drei Jahre in der Verlustzone liegen, sollte man dagegen prüfen, ob die Managementleistung dem Wunsch nach einem guten Rendite-Risiko-Verhältnis entspricht.

 


Quelle: „GUT ZU WISSEN…“ erscheint bei der Drescher & Cie Gesellschaft für Wirtschafts- und Finanzinformationen mbH, Postfach 2165, 53744 Sankt Augustin. Trotz sorgfältiger Auswahl der von der Drescher & Cie GmbH als zuverlässig eingestufter Quellen und Informationen kann für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der Inhalte nicht gehaftet werden. Dies gilt insbesondere für Inhalte, die nicht von der Redaktion der Drescher & Cie GmbH, sondern von Dritten stammen. Inhalte der Redaktion sind anhand der jeweiligen Kürzel am Ende der redaktionellen Beiträge erkennbar, welche sich auf der Internetseite investmentredaktion.de/redaktion wiederfinden lassen. Die Inhalte der „GUT ZU WISSEN…“ dienen ausschließlich Informationszwecken. Sie stellen weder eine individuelle Anlageempfehlung noch eine Aufforderung zum Kaufoder Verkauf von Wertpapieren dar. Kein Teil der „GUT ZU WISSEN…“ oder dessen Format darf (auch auszugsweise) ohne die ausdrückliche vorherige schriftliche Zustimmung der Drescher & Cie GmbH oder ohne eine entsprechende schriftliche Vereinbarung mit der Drescher & Cie GmbH zur Nutzung der In halte und / oder des Formats der „GUT ZU WISSEN…“ (Nutzungsrecht) reproduziert, nachgedruckt oder sonst vervielfältigt oder verbreitet werden. Jede im Bereich eines gewerblichen Unternehmens hergestellte oder genutzte Kopie (auch auszugsweise) ohne Nutzungsrecht verpflichtet zur Gebührenzahlung an den Verleger. Regelungen zu einem Nutzungsentgelt im Rahmen einer Einräumung eines Nutzungsrechts bleiben unberührt. (c) 2021 Drescher & Cie GmbH
Facebook
Twitter
LinkedIn
XING
Telegram
WhatsApp

Hat Ihnen der Blog-Beitrag gefallen?

Melden Sie sich jetzt ganz einfach kostenfrei und unverbindlich an, um regelmäßig Tipps und Tricks rund um Geldanlagen, Finanzen und vielem mehr zu erhalten.

Weitere Beiträge