Börsenbericht: Inflation und Zinsen steigen

Aktienmarkt

Seit Monaten leiden die Börsen unter negativen Rahmenbedingungen. Diese haben eine Gemeinsamkeit: Sie können nicht schnell abgehakt werden, egal ob Inflation, Zinsanstieg, Ukraine-Krieg oder Chinas Schwächen im Kampf gegen Corona.

Nach vielen Jahren, in denen eine sogenannte Deflation drohte, eine die Wirtschaft hemmende Aufwertung des Geldes, ist mit der Erholung der Weltwirtschaft nach der Corona-Pandemie die Inflation zurückgekehrt: Ein breiter und rascher Anstieg des Preisniveaus, also eine Abwertung des Geldes.

Der starke Anstieg der Inflation seit 2020 ist auf die unglückliche Kombination einiger Faktoren zurückzuführen. Zum einen haben Rohstoffproduzenten in den vergangenen Jahren sehr zurückhaltend in die Erschließung neuer Vorkommen investiert. Höhere Rohstoffpreise führen deshalb nicht sofort zu einer Vergrößerung des Angebots, was den Preisanstieg früher stoppen oder sogar umkehren könnte. Als im Frühjahr 2020 die chinesische Corona-Epidemie zu einer Pandemie wurde und die weltweite Nachfrage kurzfristig einbrach, passten viele Branchen ihre Kapazitäten diesem Szenario an. Beispielsweise stornierten Automobilhersteller ihre Bestellungen von Mikrochips, weil sie von einer verringerten Nachfrage ausgingen. Die Chiphersteller erlebten aber gleichzeitig eine erhöhte Nachfrage aus den Bereichen Büro- und Konsumenten-Elektronik.

Die rasche Erholung nach dem Corona-Schock traf somit auf ein verringertes Angebot, zumal bei der Bekämpfung der Pandemie viele zuvor bestehenden Lieferbeziehungen unterbrochen wurden. Hinzu kommt: China, das nach Russland sehr früh und noch vor dem Westen verkündet hatte, Corona- Impfstoffe entwickelt zu haben, bekommt das Infektionsgeschehen bis heute nicht in den Griff. Weder russische noch chinesische Impfstoffe erreichen die Wirksamkeit der modernen westlichen Vakzine. Die anti-westliche Propaganda lässt es allerdings nicht zu, dies zuzugeben und Impfstoffe im Westen zu erwerben, wo inzwischen Überschüsse produziert werden. China bekämpft Corona stattdessen mit drakonischen Lockdown-Maßnahmen, was die zwischenzeitliche Erholung der Wirtschaft beendet hat und den Außenhandel massiv stört.

Und nicht zuletzt der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat das Geflecht internationaler Handelsbeziehungen massiv geschädigt. Der Wirtschaftsaufschwung im Westen, der weitgehend mit Vollbeschäftigung einhergeht, trifft in vielen Bereichen auf einen Mangel an Zulieferungen. All dies sind perfekte Voraussetzungen für einen starken Anstieg der Preise, sprich Inflation.

Auch wenn die Notenbanken nicht die Auslöser der steigenden Inflation sind, so haben sie ihr doch mit ihrer sehr lockeren Geldpolitik den Boden bereitet. Kredite wurden verbilligt und mit Anleihekäufen zusätzliche Billionenbeträge in die Märkte gepumpt. Das Verhältnis von Geldmenge zu Gütermenge bestimmt die Preise. Nun trifft ein großes Geldangebot auf eine verringerte Gütermenge, was steigende Preise bedeutet. Der Beitrag der Notenbanken zur Bekämpfung der Inflation kann nur darin bestehen, das Geldmengenwachstum zu bremsen. Zum einen verringern die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) deshalb zügig ihre Anleihekaufprogramme. Zum anderen heben sie ihre Leitzinsen an, was Kredite verteuert.

Am 4. Mai erhöhte die US-Notenbank ihren wichtigsten Leitzins um einen halben Prozentpunkt auf 0,75 bis 1,00 Prozent. Zuvor waren solche Schritte um nur einen Viertel-Prozentpunkt üblich. Für Anfang Mai war mehr als ein üblicher Zinsschritt erwartet worden, sodass die Anhebung an den Börsen kurzfristig sogar mit Erleichterung aufgenommen wurde, weil der Zinsschritt nicht höher ausfiel und die Notenbank signalisierte, in Zukunft auf höhere Schritte zu verzichten. Es gilt als ausgemachte Sache, dass die Notenbank im Laufe des Jahres die Zinsen weiter erhöhen wird.

Auch die EZB steht vor einer Kehrtwende. Im Euroraum lagen die Preise im April 7,4 Prozent höher als im April des Vorjahres. EZB-Chefin Christine Lagarde signalisiert eine „Normalisierung der Geldpolitik im Euroraum“, womit die Märkte auf eine bevorstehende Zinswende vorbereitet werden. Sie gehe davon aus, dass die Anleihekäufe im Rahmen des laufenden Stützungsprogramms „sehr früh im dritten Quartal enden werden“. Dies würde eine Anhebung der Zinssätze auf der Sitzung im Juli ermöglichen, so Lagarde. Damit dürfte auch das Ende der Negativ-Zinsen bis zum Ende des dritten Quartals bevorstehen. Seit Juni 2014 ist der Zinssatz für die sogenannte „Einlagefazilität“ – also der Leitzins, für den Geschäftsbanken Geld bei der EZB halten – negativ. Seit September 2019 liegt er bei minus 0,5 Prozent. Vor diesem Hintergrund haben viele Geschäftsbanken Negativ-Zinsen oder „Verwahrentgelte“ für höhere Kontoguthaben ihrer Kunden eingeführt.

Der Kapitalmarkt rechnet seit Monaten mit einer Rückkehr zu höheren Zinsen. Bei Anleihen hat dies zu starken Kursverlusten geführt, denn die Rendite festverzinslicher Anleihen passt sich durch Kursveränderungen an das jeweilige Zinsumfeld an.

Der Zinsanstieg ist auch einer der wesentlichen Belastungsfaktoren für die Aktienmärkte. Vor allem Technologie-Aktien stehen dadurch unter erhöhtem Verkaufsdruck. Insbesondere wenn Geschäftsergebnisse und Ausblicke der Tech-Konzerne die hohen Erwartungen der Anleger enttäuschen, werden deren Aktien panisch verkauft. So kam es beim Streaming-Anbieter Netflix und beim Fotochat-Anbieter Snap zu Kurseinbrüchen von rund 40 Prozent, obwohl deren Aktienkurse schon in den Monaten zuvor deutlich gesunken waren. Aber auch bei den bislang sehr beliebten Aktien von Alphabet, Amazon, Apple und Microsoft ist ein Rückzug von Investoren zu beobachten. Zu den größten Verkäufern gehören offenbar Hedgefonds. Aufgrund ihres hohen Börsenwertes haben diese Aktien hohes Gewicht in vielen Aktienindizes. Wenn sich Anleger aus entsprechenden ETFs bzw. Indexfonds zurückziehen, verkaufen sie indirekt auch diese großen US-Aktien. Der von großen Technologie-Aktien geprägte Nasdaq-100-Aktienindex fiel auf den tiefsten Stand seit November 2020. Aber auch beim breit streuenden MSCI Weltaktienindex sind seit einem halben Jahr vor allem die zuvor lange Zeit gestiegenen US-Technologie-Aktien für den Rückgang verantwortlich.

 


Quelle: „GUT ZU WISSEN…“ erscheint bei der Drescher & Cie Gesellschaft für Wirtschafts- und Finanzinformationen mbH, Postfach 2165, 53744 Sankt Augustin. Trotz sorgfältiger Auswahl der von der Drescher & Cie GmbH als zuverlässig eingestufter Quellen und Informationen kann für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der Inhalte nicht gehaftet werden. Dies gilt insbesondere für Inhalte, die nicht von der Redaktion der Drescher & Cie GmbH, sondern von Dritten stammen. Inhalte der Redaktion sind anhand der jeweiligen Kürzel am Ende der redaktionellen Beiträge erkennbar, welche sich auf der Internetseite investmentredaktion.de/redaktion wiederfinden lassen. Die Inhalte der „GUT ZU WISSEN…“ dienen ausschließlich Informationszwecken. Sie stellen weder eine individuelle Anlageempfehlung noch eine Aufforderung zum Kaufoder Verkauf von Wertpapieren dar. Kein Teil der „GUT ZU WISSEN…“ oder dessen Format darf (auch auszugsweise) ohne die ausdrückliche vorherige schriftliche Zustimmung der Drescher & Cie GmbH oder ohne eine entsprechende schriftliche Vereinbarung mit der Drescher & Cie GmbH zur Nutzung der In halte und / oder des Formats der „GUT ZU WISSEN…“ (Nutzungsrecht) reproduziert, nachgedruckt oder sonst vervielfältigt oder verbreitet werden. Jede im Bereich eines gewerblichen Unternehmens hergestellte oder genutzte Kopie (auch auszugsweise) ohne Nutzungsrecht verpflichtet zur Gebührenzahlung an den Verleger. Regelungen zu einem Nutzungsentgelt im Rahmen einer Einräumung eines Nutzungsrechts bleiben unberührt. (c) 2021 Drescher & Cie GmbH
Facebook
Twitter
LinkedIn
XING
Telegram
WhatsApp

Hat Ihnen der Blog-Beitrag gefallen?

Melden Sie sich jetzt ganz einfach kostenfrei und unverbindlich an, um regelmäßig Tipps und Tricks rund um Geldanlagen, Finanzen und vielem mehr zu erhalten.

Weitere Beiträge