Im Mittelpunkt des Börsengeschehens stand auch im September die Entwicklung der Leitzinsen. Insbesondere die Frage, ob die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) ihre Zinsen noch weiter anhebt, unverändert belässt und im kommenden Jahr senken wird, beschäftigte die Aktien-, Anleihe- und Devisenmärkte. Die US-Arbeitsmarktdaten brachten in dieser Hinsicht nicht die erhoffte Klarheit. Zudem erweist sich die Konjunktur in den USA als robust. Die von vielen in Reaktion auf die weitreichenden Zinserhöhungen erwartete Rezession ist bislang ausgeblieben. Vor diesem Hintergrund zeigten die meisten Aktienmärkte zunächst eine Fortsetzung ihrer abwartenden Seitwärtsbewegung.
Die mit Spannung erwartete Zinsentscheidung der Europäische Zentralbank (EZB) wurde an den Börsen positiv aufgenommen, obwohl die EZB ein zehntes Mal ihre Leitzinsen erhöhte. Auch hier stützen sich die Börsen auf die Hoffnung, dass dies das Ende der Zinserhöhungen war.
Enttäuschte Hoffnungen führen zu Kursverlusten
Die US-Notenbank dagegen beließ wie von den Kapitalmärkten erhofft ihre Leitzinsen unverändert, betonte aber ihre Entschlossenheit, weiter das erklärte Zwei-Prozent-Ziel bei der Inflation anzustreben. Somit könnte eine weitere Zinserhöhung in diesem Jahr erfolgen. Zudem dürften etwaige Zinssenkungen 2024 geringer ausfallen als bislang erwartet. Dies enttäuschte die vorherrschenden Hoffnungen und hatte stärkere Kursverluste an den Aktien- und Rentenmärkten zur Folge. Insofern enttäuschte auch der September 2023 wie viele seiner Vorgänger, denn der September gilt bei Börsenstatistikern als verlustbringender Monat.
Die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen sprang auf über 4,6 Prozent und damit den höchsten Stand seit 2007, was Kursverluste für Anleihen bedeutete. Die entsprechende Rendite deutscher Bundesanleihen stieg auf über 2,9 Prozent – das höchste Niveau seit Sommer 2011. Der wichtige Terminkontrakt für Bundesanleihen hatte den August mit einem Stand von gut 133 Punkten beendet, rutschte dann aber vor allem in der letzten Septemberwoche mit Werten unter 128 Zählern auf den tiefsten Stand seit zwölf Jahren. Allein im September beläuft sich der Kursverlust mit vermeintlich sicheren Anleihen auf rund vier Prozent.
Schwäche auch bei Technologieaktien
Die als Leitbörsen geltenden US-Aktienmärkte verzeichneten den zweiten Monat in Folge Kursverluste. Der Dow Jones fiel zeitweilig unter 33.500 Zähler, womit die zwischenzeitlichen Gewinne seit Anfang Juni verloren gingen. Das gilt auch für den S&P 500, der unter 4.300 Punkte rutschte. Auch die lange 3 GUT ZU WISSEN beliebten US-Technologieaktien konnten sich mehrheitlich nicht der Kursschwäche entziehen. So kehrte auch der Nasdaq 100 zu dem Niveau zurück, das er vor vier Monaten erreicht hatte.
Die europäischen Aktienmärkte hatten sich mehrheitlich seit April in einer Seitwärtsbewegung befunden. Mit den Rückgängen beim Euro Stoxx 50 unter 4.200 Zähler und beim DAX unter 15.500 Punkte wurden die psychologisch wichtigen Unterstützungen am unteren Rand dieser Seitwärtsbewegung in der letzten Septemberwoche unterschritten. Schon in der ersten Oktoberhälfte sollte sich zeigen, ob das ermäßigte Kursniveau wieder als günstige Einstiegsgelegenheit verstanden wird oder ein weiterreichender Abwärtstrend entsteht. An den Devisenmärkten stärkte die Aussicht auf höhere US-Zinsen für längere Zeit die amerikanische Währung, die damit ihren Zinsvorteil gegenüber dem Euro halten kann. Der Mitte Juli begonnene Aufwärtstrend des US-Dollars setzte sich fort und erreichte 1,05 US-Dollar pro Euro. In japanischen Yen näherte sich der Wert eines US-Dollars wieder der Marke von 150 Yen, die ein Mehr-Jahres-Hoch markiert.
Dem Goldpreis tat die Aussicht auf höhere US-Zinsen für längere Zeit nicht gut. Der Preis für eine Feinunze Gold fiel unter 1.880 US-Dollar und damit den tiefsten Stand seit März dieses Jahres. Auch der Silberpreis stand im September unter Druck, blieb mit Kursen um 22,50 US-Dollar pro Unze aber in der seit Juni geltenden Bandbreite.
DAX
Blickpunkt: Gesunde Beimischung
Die Entwicklung der Weltkonjunktur bleibt hinter den Erwartungen zurück, die noch zum Jahresauftakt vorherrschten. Während den USA vielleicht ein Soft Landing gelingen kann, enttäuschen vor allem China und Europa und hier insbesondere die größte Volkswirtschaft Deutschland. Aktieninvestoren agieren vorsichtig. Eine konjunkturelle Schwäche dürfte zu Abwärtsrevisionen bei vielen Unternehmen führen, Umsatzerlöse und letztendlich Gewinne dürften kleiner ausfallen als erhofft. Dementsprechend stehen Aktien unter Druck, die als zyklisch, also konjunkturempfindlich eingestuft werden. Die Bevorzugung von Aktien aus der Hochtechnologie ist vor diesem Hintergrund verständlich. Denn wo kann man in einer wachstumsschwachen Weltwirtschaft noch Wachstum erwarten? Die Begeisterung für das Wachstumsthema der Künstlichen Intelligenz (KI) lässt sich über diesen Ansatz ein Stück weit erklären.
Nachlassende Aufmerksamkeit für Healthcare-Sektor
Aus einem anderen Sektor haben sich dagegen viele Investoren zurückgezogen, obwohl auch er weitgehend konjunkturunabhängig ist. Gegenüber dem Jahresbeginn steht der MSCI Healthcare Index fast unverändert (plus 0,7 Prozent bis zum 9. September). Im gleichen Zeitraum ist der MSCI All Countries World um 14,7 Prozent gestiegen, der entsprechende Index für Technologie-Aktien sogar um 36 Prozent.
Die Aufmerksamkeit, die die Corona-Pandemie bei Investoren auf den Gesundheitssektor gelenkt hatte, hat inzwischen stark nachgelassen. Dies gilt auch für viele Fondsmanager, die „spannendere“ Storys aus anderen Sektoren erzählen. Beim Boom- Thema Künstliche Intelligenz taucht dann aber doch der ein oder andere Wert aus dem Gesundheitssektor auf, denn KI hält gerade in dieser Branche, insbesondere in der Medikamentenforschung und der diagnostischen Medizintechnik, rasch Einzug. Tatsächlich ist Digital Health ein Wachstumsthema. Gemeint ist nicht die Virenfreiheit unserer Computer, sondern der Einsatz digitaler Systeme bei verschiedensten Anwendungen in der Humanmedizin.
Zinsanstieg belastet Biotech-Unternehmen
Ein rationaler Einflussfaktor, der die Underperformance des Healthcare-Sektors teilweise erklären kann, ist der Zinsanstieg. Kapital gibt es nicht mehr nahezu umsonst. Und Zeit ist wieder Geld, nämlich Zins. Wer also noch keine freien Cashflows erwirtschaftet, gar auf Fremdkapital oder frische Eigenkapitalspritzen angewiesen ist, erleidet durch den höheren (Diskontierungs-)Zins ceteris paribus eine Wertminderung. Dies trifft im Healthcare-Sektor naturgemäß vor allem forschende Biotech-Unternehmen. Reichte Investoren in der Nullzinsphase schon eine Renditeaussicht von vier oder fünf Prozent, um die Unwägbarkeiten von Biotech-Investments einzugehen, so sind die Kurse inzwischen so weit gefallen, dass die gleichen Gewinnschätzungen Renditen von über sieben Prozent bedeuten.
Ein starkes Indiz für den gestiegenen Zins als wichtigen Belastungsfaktor liefert auch die Beobachtung, dass die Big Pharma genannten Gesundheitsaktien nicht so gelitten haben wie die Biotech-Aktien. Das ist aber nur ein schwacher Trost, denn obwohl das erwartete Gewinnwachstum dieser Branche über dem Durchschnitt aller Branchen (MSCI Welt) liegt, zeigen entsprechende Branchenindizes eine Underperformance. Ein früher üblicher Bewertungsaufschlag für die geringere Konjunkturabhängigkeit ist inzwischen verschwunden. So liegt das KGV des MSCI Healthcare Index mit 17 gleichauf mit dem des MSCI Welt.
PEG-Ratio spricht für Healthcare
Folgerichtig rechnen die Befürworter von Healthcare- Investments unter den Fondsmanagern vor, dass die Relation des Kurs-Gewinn-Verhältnisses zum Gewinnwachstum (das sogenannte PEG-Ratio) inzwischen klar für Gesundheits-Aktien spricht. Dr. Cyrill Zimmermann, Head Healthcare Funds & Mandates bei Bellevue Asset Management, verwies unlängst für den MSCI Welt auf ein eher teures PEG-Ratio von 2,6, während der Healthcare-Sektor auf vergleichsweise attraktive 1,9 kommt. Für Biotech-Aktien bezifferte der Experte das PEG-Ratio sogar auf nur 1,1 Prozent.
An Aufgaben mangelt es weder den forschenden Biotech-Unternehmen noch den großen Pharma- Konzernen. Die bekannten Argumente der steigenden Lebenserwartung, die in Industrie und Entwicklungsländern mit einem Anstieg von Healthcare-Leistungen verbunden sind, sind heute nicht falsch, nur weil sie schon vor Jahrzehnten galten. Inzwischen ist der starke Anstieg der Diabeteserkrankungen eine wachsende Herausforderung. Gleichzeitig muss der Kampf gegen den Krebs intensiviert werden. Und als dritte große Herausforderung wird die Zunahme neurogenerativer, also demenzieller Erkrankungen als Folge der zunehmenden Alterung genannt.
Fazit: Der Healthcare-Sektor einschließlich Biotech bietet sich mittlerweile als preiswertes, antizyklisches Branchen-Investment an und verspricht eine gesunde Beimischung.