Börsenbericht: Zinspause – Blickpunkt: Klein und bald wieder fein?

Börsenbericht: Zinspause - Blickpunkt: Klein und bald wieder fein?

Börsenbericht: Zinspause

Zentrales Thema für die Kapitalmärkte blieb die Entwicklung der Zinsen. Weder die Notenbank der USA, die Federal Reserve (Fed), noch die Europäische Zentralbank (EZB) erhöhten ihre Leitzinsen seit dem Spätsommer weiter. Den letzten Zinsschritt hatte die EZB am 14. September vorgenommen, als sie ihren Hauptrefinanzierungssatz auf 4,5 Prozent erhöht hatte. Die Einlagefazilität, also der Zins, den Geschäftsbanken für Guthaben bei der Zentralbank halten, liegt seitdem bei 4,0 Prozent, dem höchsten Niveau seit der Euro-Einführung zum 1. Januar 1999. Die Fed hatte schon am 26. Juli ihre letzte Zinserhöhung verkündet. Die Bandbreite für die Funds Rate war ebenfalls um einen Viertelprozentpunkt auf 5,25 bis 5,5 Prozent angehoben worden. Dies ist das höchste Niveau seit dem Frühjahr 2001.

Hoffnung auf Zinssenkungen im Jahr 2024

An den Kapitalmärkten setzte sich die Hoffnung durch, dass diese Zinspause das Ende der Leitzinserhöhungen bedeutet – und im nächsten Jahr Zinssenkungen folgen. Die Rendite von zehnjährigen US-Staatsanleihen, die im Oktober bis auf 5,0 Prozent und damit den höchsten Stand seit 2007 gestiegen war, sank im November auf rund 4,4 Prozent. Zwar schloss US-Notenbankpräsident Powell weitere Leitzinserhöhungen nicht aus, der Rückgang der US-Inflationsrate auf 3,2 Prozent bestärkte die Börsen aber in der Erwartung von Zinssenkungen im kommenden Jahr, zumal viele Marktteilnehmer noch immer davon ausgehen, dass die US-Wirtschaft in eine Rezession geraten könnte. Die jüngsten Konjunkturdaten zeigten dies allerdings nicht.

Mit Spannung wurden die Quartalsergebnisse der „Glorreichen Sieben“ erwartet, weil die sieben großen US-Technologiekonzerne in den wichtigsten Aktienindizes und vielen Anlegerportfolios inzwischen hohes Gewicht haben. Während Microsoft und Amazon mit ihren Quartalsergebnissen überzeugen konnten, wurden die Verlautbarungen von Alphabet und Meta mit etwas Enttäuschung aufgenommen, was eine höhere Volatilität der Technologieaktien zur Folge hatte. Der Aktienkurs von Tesla, der im Oktober mehr als ein Viertel seines Wertes verloren hatte, holte etwa die Hälfte dieses Rückgangs wieder auf. Die Apple-Aktie, die seit August von ihrem Rekordhoch rund 15 Prozent eingebüßt hatte, kehrte sogar in die Nähe ihres Allzeit- Hoch zurück. Die mit Spannung erwarteten Quartalsergebnisse des KI-Chip-Herstellers Nvidia fielen sehr gut aus, wurden aber aufgrund des durch die Technologieexportbeschränkungen nach China vorsichtigen Ausblicks nicht euphorisch aufgenommen.

Erholungsrallye an der Wallstreet

Die Erholungsrallye an der Wallstreet führte den Dow Jones von nur 32.327 Punkten in den letzten Oktobertagen um rund zehn Prozent bis über 35.400 Zähler nach oben. Den Nasdaq-100 führt die Rallye sogar um gut 14 Prozent aufwärts. Mit Indexwerten von 16.000 Punkten erreichte der Index neue Jahreshochs und steht nicht mehr weit unter seinem Rekordhoch von Ende 2021 bei 16.765 Zählern.

Auch die europäischen Aktienindizes zeigten sich im November nach drei Verlustmonaten stark erholt. So stieg der Euro-STOXX-50 von knapp 4.000 Punkten, die im Oktober kurz unterschritten worden waren, bis auf 4.377 Zähler. Auch der DAX erholte sich um gut 9 Prozent und erreichte die psychologisch wichtige Marke von 16.000 Punkten wieder. Ohne die anhaltende Talfahrt des DAX-Wertes Bayer wäre es noch etwas mehr gewesen. Aber die Aktie des Pharma- und Agrarchemiekonzerns fiel angesichts anhaltender Belastungen durch Glyphosat-Schadensersatzurteile und eine gescheiterte Medikamentenentwicklung auf den tiefsten Stand seit 2006.

Dow Jones Industrial Average

Dow Jones Industrial Average

Euro-STOXX-50 beenden Talfahrt

Euro-STOXX-50 beenden Talfahrt

Die Ängste vor einer möglichen Eskalation des Nahost- Konfliktes wurden kleiner, womit der Ölpreis gegenüber Mitte Oktober um rund 15 US-Dollar pro Barrel sank. Auch das Krisenmetall Gold gab in der ersten Novemberhälfte einen Teil seines Preisanstiegs wieder ab, profitierte dann aber von den fallenden Zinsen. In der zweiten Novemberhälfte kletterte der Goldpreis etwas über 2.000 US-Dollar pro Unze und damit das höchste Niveau seit Mai. Ob sich daraus ein weiterführender Aufwärtstrend bildet, bleibt allerdings abzuwarten, denn schon seit 2020 mangelte es dem Gold bei Preisen oberhalb von 2.000 US-Dollar an Anschlusskäufen.

Blickpunkt: Klein und bald wieder fein?

Blickpunkt: Klein und bald wieder fein?

Nebenwerte, also Aktien von Unternehmen mittelgroßer und kleinerer Marktkapitalisierung, sollten, so zeigen es empirische Studien, langfristig besser abschneiden als so genannte Large Caps. Dies sind Aktien großer Konzerne, die aufgrund ihres hohen Börsenwertes die populären Aktienindizes dominieren. Doch der Faktor Größe zeigte in den vergangenen Jahren und Monaten keine Outperformance, im Gegenteil. In den meisten Aktienmärkten entwickelten sich Standardwerte besser als Nebenwerte. In den ersten neun Monaten dieses Jahres beispielsweise stieg der S&P-500 um 11,7 Prozent und der Nasdaq-100 sogar um 36,9 Prozent. Der US-Nebenwerteindex Russell-2000 verzeichnete im gleichen Zeitraum gerade mal ein Plus von 1,4 Prozent. Oder der DAX: Sein Plus aus den ersten drei Quartalen dieses Jahres beträgt 10,5 Prozent, während der MDAX mit einem Anstieg um 3,8 Prozent nicht einmal ein Drittel davon schaffte.

Kritischere Wahrnehmung von Nebenwerten

Die Gründe für den Rückzug der Anleger als den Nebenwerten sind mannigfaltig. Vor allem die Angst vor einer drohenden Rezession lässt Standardwerte sicherer erscheinen. Bei den kleinen Unternehmen sind die Sorgen größer, dass der Inflations- und Zinsanstieg bei gleichzeitig schwächerer Konjunktur zu negativen Überraschungen führen könnte. Die geringere Zahl an Analysten, die sich mit Nebenwerten beschäftigen, trägt ebenfalls zu dieser Wahrnehmungsverzerrung bei. Mehr Berechtigung hat das Argument geringerer Handelsliquidität. Einen Bewertungsabschlag, wie er aktuell zu beobachten ist, rechtfertig dies aber nicht. So dürfte es auch ein Ergebnis der vielen passiv angelegten Gelder sein, die mittels ETFs undifferenziert in Indexschwergewichte strömen.

Im Schatten der großen Erfolgsstorys

Die Underperformance der Nebenwerte ist inzwischen so auffällig, dass man in der Börsengeschichte schon weit zurückgehen muss, um ähnlich auseinanderklaffende Entwicklungen zu finden. Das Phänomen gab es immer wieder mal. Ähnlich stark Anfang der 1970er-Jahre, als insbesondere in den USA großen Konzernen hohe Bewertungsaufschläge zugestanden wurden. Die „Nifty Fifty“ koppelten sich von der Entwicklung der Nebenwerte ab. Und die Begründungen zeigten Parallelen zu heute: Die Aufmerksamkeit galt den großen Erfolgsstorys, von denen man glaubte, sich müssten sich fortschreiben lassen.

Schließlich verfügten die großen Konzerne über die Mittel und Burggräben, sich an der Spitze zu halten. Monopolartige Positionen würden den Aufstieg kleiner Konkurrenten verhindern, die gegebenenfalls einfach aufgekauft werden. Die hohe Bewertung dieser Aktien sei durch deren hohe Qualität und ihr weiteres Wachstum gerechtfertigt. Argumente, die man auch heutzutage von Fondsmanagern so oder so ähnlich hört, die in überwiegend hochkapitalisierten Aktien investiert sind. Manager von ausschließlich oder überwiegend auf Nebenwerte ausgerichteten Fonds verweisen dagegen auf die historisch außergewöhnlich hohen Bewertungsabschläge der Small Caps.

Fondsmanager verweisen auf günstige Bewertungen

Geoff Dailey von BNP Paribas etwa nannte jüngst den Rückgang des Kurs-Buchwert-Verhältnisses (KBV) beim Russell-2000. Dieses sei seit Ende Juli um 16 Prozent auf 1,8 gesunken. „Das entspricht fast dem größten jemals verzeichneten Abschlag gegenüber Large Caps. Zugleich liege das Kurs-Gewinn5 Verhältnis (KGV) 20 Prozent unter dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre.“

Marcus Ratz, Portfoliomanager für europäische Nebenwerte bei Lupus Alpha, bezifferte den Bewertungsabschlag von deutschen Nebenwerten unlängst auf 30 Prozent. „Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGVs) der Large Caps liegen nach dem starken Drawdown im vergangenen Jahr nun wieder nahe ihres 15-Jahres-Durchschnitts. Small Caps hingegen handeln nach wie vor rund 30 Prozent darunter. Noch viel beachtlicher ist, dass Small Caps aktuell geringer bewertet werden als Large Caps. Dies ist ein seit 2007 einmaliger Vorgang“, kommentierte Ratz die Situation. Er verwies darauf, dass sich im Nebenwertesegment zahlreiche innovative Unternehmen mit hohen Wachstumsraten befinden. Dies werde normalerweise entsprechend eingepreist. Derzeit sei das aber nicht der Fall. Die aktuellen Bewertungen böten laut Ratz eine seltene Einstiegsmöglichkeit in ein Segment, das aus seiner Sicht zu Unrecht pauschal abgestraft wurde.

Ähnlich sehen das viele andere Fondsmanager, die sich mit deutschen und europäischen Nebenwerten beschäftigen, darunter Marcel Maschmeyer von Paladin. In einem von ihm durchgeführten Peer-Group- Vergleich beziffert er die durchschnittliche Performance von neun betrachteten Blue-Chips-Fonds in den ersten zehn Monaten dieses Jahres auf plus 10,3 Prozent, während 14 Small-Caps im Durchschnitt 6,1 Prozent verloren und acht Micro-Cap-Fonds sogar ein Minus von durchschnittlich 14,6 Prozent erlitten haben.

In den 1970er-Jahren setzten sich die Small Cap- Stockpicker schließlich durch. Während die Nifty Fifty nach und nach ihren Nimbus und damit ihre Bewertungsaufschläge verloren, konnten Fondsmanager mit ausgewählten, aber unpopulären Aktien die Indizes zum Teil deutlich schlagen.

Nebenwerte als antizyklisches

Investment Fazit: Performance-Unterschiede bei Aktienfonds sind aktuell zu einem großen Teil auf das Auseinanderlaufen von Standard- und Nebenwerten zurückzuführen. Man sollte sich davor hüten, diese Entwicklung für alle Zukunft fortzuschreiben. Der Blick zurück in die Börsengeschichte lässt vielmehr eine Mittelwertrückkehr, also eine Gegenbewegung hin zum langfristigen Durchschnitt erwarten. Anleger und Berater sollten Nebenwertefonds jetzt nicht mit Liebesentzug und Mittelabzug abstrafen, sondern im Gegenteil solche Investments antizyklisch verstärken.


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