Börsenbericht: Zinssenkungen voraus Blickpunkt: EM debt mit Überraschungspotenzial

Börsenbericht: Zinssenkungen voraus

Wichtigstes Thema für die Kapitalmärkte im Dezember blieb die Zinsentwicklung. Angesichts rückläufiger Inflationsraten gilt es als ausgemachte Sache, dass die meisten Notenbanken, darunter  die US-amerikanische Federal Reserve (Fed) und die Europäische Zentralbank (EZB), im kommenden Jahr ihre Leitzinsen senken. Spekulationen drehen sich um die Anzahl der  Leitzinssenkungen und ihre Zeitpunkte. Zeitweilig eher mäßige Konjunkturdaten bestärkten die Hoffnungen auf Leitzinssenkungen für 2024.  Zinssenkungen von Inflationsentwicklung abhängig Allerdings wiederholten US-Notenbankpräsident Powell und andere US-Notenbanker ihre Warnungen vor überzogenen Erwartungen. Eine Lockerung der Geldpolitik bleibt an Erfolge bei der Inflationsbekämpfung gekoppelt. Die Weltleitbörse New York fieberte dem Arbeitsmarktbericht für November entgegen. Obwohl dieser mit einem robusten Bild gegen Zinssenkungen sprach,  wurde er mit Kursgewinnen quittiert. Nach der Dezember-Sitzung des Offenmarkt-Ausschusses (FOMC), der die Fed Funds Rate seit Juli unverändert bei 5,25 bis 5,5 Prozent beließ, stellen US-Notenbanker für 2024 zwar grundsätzlich die Möglichkeit mehrerer Zinssenkungen in Aussicht, versuchten aber gleichzeitig die Erwartungen zu dämpfen. Dass Zinssenkungen weiterhin an die Bedingung einer rückläufigen Inflation gekoppelt werden, gilt als Formsache.

 

Entwicklung der Federal Funds Rate seit 2013

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Jahresendrallyes in den USA und in Europa

An der Wall Street setzte sich vor diesem Hintergrund die Ende Oktober begonnene Jahresendrallye fort. Der populäre Dow Jones Industrial Average, der noch im Oktober gegenüber dem Jahresbeginn leicht im Minus gelegen hatte, kletterte erstmals in seiner Geschichte auf über 37.000 Punkte und stellte damit seinen alten Rekord von 36.800 Zählern Anfang 2022 ein. Der als repräsentativer geltende S&P-500-Index stieg vom Mehr-Monats-Tief Ende Oktober bis Mitte Dezember um gut 15 Prozent auf Werte über 4.700 Punkte. Das sind zwar keine neuen Rekordhochs, doch bis zum bisherigen Rekordstand bei 4.818 Zählern von Anfang 2022 fehlen weniger als zwei Prozent, sodass die Verluste des Jahres 2022 als aufgeholt gelten können. Gleiches gilt für den Nasdaq-100, der noch stärker von den großen US-Technologieaktien dominiert wird. Während die Mehrheit der „glorreichen Sieben“ ein abflachendes Momentum zeigte, verbesserten sich die Trends bei einer Vielzahl von Aktien. So drehte der US-Nebenwerteindex Russell-2000 nach seinem Jahrestief Ende Oktober nach oben und setzte diesen Aufwärtstrend im Dezember fort. Die europäischen Aktienmärkte erlebten ebenfalls eine Jahresendrallye. Der Euro-STOXX-50, der im Oktober bis auf rund 4.000 Zähler zurückgefallen war, konnte ohne nennenswerte Konsolidierung an die Kursgewinne vom November anknüpfen und erreichte mit Werten über 4.500 Punkte neue Jahreshochs. Den Deutschen Aktienindex (DAX) führte die Rallye bis Mitte Dezember über 17.000 Zähler. Mit 17.003,28 Punkten wurde ein neuer Rekordstand markiert. Anders als die populäre Version des Euro- STOXX-50 profitiert die viel beachtete Version des DAX von der Einrechnung der gezahlten Dividenden. Dagegen konnten europäische Nebenwerte einschließlich der deutschen ihre seit 2022 entstandenen Rückstände noch nicht aufholen. So notierte beispielsweise der MDAX für mittelgroße Aktien (Mid Caps) mit gut 27.000 Punkten Mitte Dezember noch unter dem Hoch aus dem Sommer bei 28.890 Zählern.

Japanischer Aktienmarkt mit guter Jahresbilanz

Anders als die Börsen in Nordamerika und Europa gelang es dem japanischen Aktienmarkt im Dezember nicht, an die Kursrallye vom November anknüpfen. Der Nikkei-225-Index gab einen Teil seiner Kursgewinne aus dem Vormonat wieder ab und blieb in der seit Juni gültigen Bandbreite zwischen knapp 30.500 und gut 33.850 Punkten. Allerdings hatte der japanische Aktienmarkt im zweiten Quartal, insbesondere im Mai und Juni überdurchschnittliche Kursgewinne erzielt, sodass der Anstieg auf Jahressicht sehr gut ausfällt. Japan ist das einzige Land unter den Industrieländern, in dem die Anleiherenditen unter der Inflationsrate liegen, was einen negativen Realzins bedeutet. Hintergrund ist die Zinspolitik der japanischen Notenbank, der Bank of Japan. Sie deckelt weiterhin die Zinsen am Anleihemarkt, indem sie Anleihen aufkauft. An den Kapitalmärkten wird über ein Ende der Negativzinspolitik spekuliert. Japan sieht erstmals seit Jahrzehnten die Chance, einer deflationären Entwicklung zu entkommen. Dabei sind höhere Verbraucherpreise vor allem ein stärkeres Lohnwachstum willkommen. Nicht wenige Beobachter  erwarten, dass sich der Aktienmarkt sowie die Fundamentaldaten der Realwirtschaft in Japan weiterhin gut entwickeln.

Vertrauensverlust nährt Tiefststände in China

Gegen den internationalen Trend verlief die Entwicklung der chinesischen Aktienmärkte weiterhin unterdurchschnittlich. In Hongkong unterschritt der Hang Seng Index zeitweilig die Marke von 16.000 Punkten – Tiefststände seit November 2022 und deutlich unter dem Niveau, das in Folge der Corona- Pandemie im Frühjahr 2020 erreicht worden war. Hintergrund ist ein weitreichender Vertrauensverlust in das Regime in Peking und seine Fähigkeit, die wirtschaftlichen Probleme zu bewältigen. Vor allem auf den Immobilienmärkten gibt es Schieflagen und Konkurse.

Hang Seng Index enttäuscht am Jahresende

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Der Ölpreis setzte seinen Abwärtstrend zumindest bis Mitte Dezember fort. Der Preis für ein Barrel fiel zeitweilig unter 75 US-Dollar. Bei den Edelmetallen stieg der Goldpreis zwar Anfang Dezember kurzzeitig auf ein neues Rekordhoch von 2.147 US-Dollar pro Unze, konnte dieses Niveau aber nicht lange halten. Schon seit 2020 mangelt es Gold bei Preisen oberhalb von 2.000 US-Dollar an Anschlusskäufen.

 

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Blickpunkt: EM debt mit Überraschungspotenzial

Der Jahreswechsel wird regelmäßig von Statistiken begleitet, wie sich fiktiv investiertes Geld im abgelaufenen Jahr in verschiedenen Assets entwickelt hat, welche Aktienindizes ganz oben stehen und welche eindrucksvolle Performance man hätte erzielen können, wenn man auf dieses oder jenes Investment gesetzt hätte. Ganz oben finden sich in aller Regel exotische Kryptowährungen oder Aktienmärkte. Es ist unmöglich, daraus eine seriöse Anlagestrategie abzuleiten. Wenn für das Jahr 2023 mit Japan der Aktienmarkt der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt weit oben auf diesen Listen auftaucht, erinnert das daran, dass auch große Asset-Klassen positiv überraschen, wenn ihnen zuvor wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. 2023 galt das für den japanischen Aktienmarkt, der sein  Potenzial bei weitem nicht ausgeschöpft haben dürfte.

Attraktives Rendite-Risiko-Verhältnis bei Schwellenländer-Anleihen

Welche Asset-Klasse könnte 2024 positiv überraschen, ohne riskante Wetten auf exotische Nischenmärkte einzugehen? Eine Voraussetzung ist ein gewisses Desinteresse der meisten Anleger– bei gleichzeitig ermutigenden Fundamentaldaten. Diese Kombination findet sich aktuell bei Schwellenländer- Anleihen. Nach etlichen enttäuschenden Jahren haben sich viele Investoren aus  diesem Segment entweder ganz zurückgezogen oder zumindest das Gewicht in ihrer globalen Asset Allocation verringert. Tatsächlich dürften bei Emerging Markets Debt (EMD), wie die Asset- Klasse auf Englisch bezeichnet wird, die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Nachdem viele Investoren EMD aber inzwischen völlig ausblenden, hat sich das Rendite-Risiko- Verhältnis deutlich verbessert. So sieht die US-Investmentgesellschaft Fidelity aktuell nach wie vor eine relativ hohe Bewertung, verweist aber darauf, dass in einigen Schwellenländern die Geldpolitik bereits gelockert werde. Die Fundamentaldaten der Emerging Markets hätten sich zuletzt nicht wesentlich verändert. Aber die stabileren Aussichten für China und die US-Geldpolitik dürften die Kursschwankungen zurückgehen lassen, was Carry-Trades begünstige. Währungen aus Schwellenländern erschienen aufgrund vorteilhafter Fundamentaldaten wie einer sinkenden Inflation und hohen Renditen attraktiv. Konkret bevorzuge man bei Staatsanleihen und Währungen aktuell lateinamerikanische Hochzinspapiere, darunter aus Kolumbien, Mexiko und Brasilien.

Vorteilhafte Fundamentaldaten und hohe Renditen

Auch Michael Vander Elst, Portfolio Manager bei Degroof Petercam AM (DPAM), nannte unlängst Gründe für Schwellenländeranleihen in Lokalwährung. Für sie spreche der Carry, also der  Nettoertrag, der sich beim Halten der Anleihen ergibt. Dieser liege bei 75 Basispunkten pro Monat. Selbst wenn die Zinsen binnen Jahresfrist noch einmal um 145 Basispunkte steigen, wären Anleger damit noch im Plus, rechnet er vor.

Argumente aus der Historie sprechen für Einstieg

Die Zentralbanken der Schwellenländer hätten den Zinszyklus angeführt und würden jetzt dank attraktiver Realzinsen über geldpolitischen Spielraum verfügen. „Sie werden auch den Senkungszyklus anführen, mit Ausnahme von Asien.“ Der DPAMFondsmanager hält neben Lokalwährungsanleihen aus Südafrika vor allem Papiere aus den beiden ökonomischen Schwergewichten Lateinamerikas – Brasilien und Mexiko – für attraktiv, „in denen die Wirtschaft nach wie vor wächst.“ In Asien lägen die Renditen dagegen oftmals unter denen von US-Staatsanleihen. Auch ein Blick in die Historie ermutigt dazu, jetzt über EMAnleihen nachzudenken. Im Jahr nach einem Höchststand bei den US-Zinsen hätten diese Anleihen stets zweistellige Renditen erzielt. Zudem würden positive Jahre in dieser Assetklasse häufig sehr positiv ausfallen. Dagegen sei das Abwärtsrisiko begrenzt. Ein politisches Risiko ergebe sich aus der Vielzahl an Wahlen, die in den  Schwellenländern in der ersten Hälfte des Jahres 2024 anstehen, unter anderem in Taiwan, Indonesien, Mexiko und Südafrika.

Kursgewinne bei Lokalwährungsanleihen

Auch bei der Capital Group präferiert man in den Schwellenländern aktuell Lokalwährungsanleihen, erwartet man doch neben der laufenden Rendite (Carry) Kursgewinne aufgrund des zu erwartenden Zinsrückgangs. Bei Hartwährungsanleihen sei der Spread von Ländern mit Investment-Grade-Rating weniger attraktiv, im High-Yield-Segment dagegen die Risiken zu hoch, erklärt Peter Becker, Investment Director bei Capital Group. Anleger, die nach dem starken Zinsanstieg Opportunitäten an den Rentenmärkten suchen, sollten sich nicht von den mäßigen Ergebnissen der vergangenen Jahre abhalten lassen, Anleihen aus Schwellenländern als Depotbeimischung ins Auge zu fassen. Ausgerechnet das Universum der Lokalwährungsanleihen bietet aktuell ein attraktives Rendite-Risiko- Profil.

 


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