Der starke Zinsanstieg belastet vor allem Technologie- und Wachstumsaktien.
Der von großen US-Technologiekonzernen geprägte Nasdaq-100-Aktienindex verlor seit Jahresbeginn über 18 Prozent. Der Streaming-Dienstanbieter Netflix schockierte die Investoren im April mit einem Rückgang seiner Abonnentenzahl, worauf der Kurs abermals um rund 40 Prozent einbrach. Damit hat die Aktie jetzt binnen weniger Monate zwei Drittel ihres Wertes verloren und steht auf dem tiefsten Wert seit Januar 2018. Die Aktie hat sich damit zu einem traurigen Beispiel für die hohen Risiken von sogenannten Wachstums-Aktien („Growth-Aktien“) entwickelt: Wenn das Wachstum ausbleibt, kollabiert der Wert.
Seit Mitte November vergangenen Jahres, also seit fünf Monaten, stehen Growth-Aktien erheblich unter Druck. Hauptgrund ist der starke Zinsanstieg in den USA. Hinzu kommt, dass viele Technologie-Firmen mit Internet-gestützten Geschäftsmodellen durch die Einschränkungen während der Corona-Pandemie ihre Geschäfte ausweiten konnten. Arbeit, Freizeitgestaltung und Einkäufe wurden in den beiden vergangenen Jahren in großem Umfang online erledigt. Das bescherte Online-Geschäftsmodellen einen zusätzlichen Wachstumsschub.
Mit dem Wegfall von Maßnahmen zur Corona-Eindämmung fällt dieser Sondereffekt jetzt weg. Davon, dass Arbeit, Freizeit und Einkäufe wieder verstärkt offline erfolgen, profitieren eher andere Unternehmen. Beispielsweise die Tourismus-Wirtschaft, die zuvor stark unter der Pandemie gelitten hatte. Profiteure der Entwicklung sind insbesondere Unternehmen mit etablierten Produkten. Hierzu zählen Unternehmen, deren Bewertung nicht auf der Erwartung hohen zukünftigen Wachstums, sondern vielmehr auf gegenwärtiger Substanz, Umsatzerlösen und Gewinnen basieren. Diese sogenannten Value-Aktien entwickeln sich seit fünf Monaten besser.
Zinsanstieg und rückläufiges Wachstum könnten dafür sorgen, dass der Vorsprung, den GrowthAktien in den Jahren zuvor aufgebaut haben, noch kleiner wird. Die Börsengeschichte zeigt, dass solche Schwächephasen meist länger als ein halbes Jahr dauern. Zudem hatte der weitreichende Zinsrückgang Wachstumsaktien ungewöhnlich stark begünstigt. Mit der Rückkehr zu höheren Zinsen könnte sich die Schere zwischen Value- und Growth-Aktien also schließen.
Angesichts einer Weltwirtschaft, in der sich das Wachstum insgesamt abschwächt, dürften Anleger weiterhin bereit sein, in der Aktienbewertung von qualitativ hochwertigen Unternehmen Prämien zu zahlen, wenn deren Wachstum in Zukunft gesichert erscheint.