Börsenbericht: Die USA verlieren Trumps Handelskrieg
Die Kapitalmärkte standen im April unter dem Eindruck der von US-Präsident Trump entfachten Handelskonflikte. Die am 2. April verkündeten Zusatzzölle stützten sich auf krude, willkürliche Berechnungsmethoden und fielen viel höher aus, als von den Märkten erwartet worden war. Trumps selbsterklärter „Tag der Befreiung“ geriet damit zu einer handelspolitischen Kriegserklärung an den Rest der Welt. China reagierte zügig, aber im Gegensatz zu den USA sehr kalkuliert mit Gegenmaßnahmen, welche die USWirtschaft empfindlich treffen. Beim Versuch, den Schaden für die USA zu begrenzen, änderte Trump daraufhin seine chaotische Zollpolitik nahezu täglich. Ein Großteil der Zusatzzölle wurde ausgesetzt, auch gegen China.
Weniger Wachstum und steigende Preise
Während die Hoffnung auf ein rasches Scheitern und damit ein Ende der Trumpschen Zollpolitik die Börsen stabilisierte, machte der Präsident der US-Notenbank, Jerome Powell, auf die Folgen aufmerksam: weniger Wachstum, steigende Preise und mehr Arbeitslose in den USA. Dass Trump als Reaktion Powell und die Unabhängigkeit der Notenbank öffentlich angriff, führte zu weiteren Kursverlusten. Allerdings musste Trump auch in diesem Punkt einen Rückzieher machen und erklären, er verlange nicht Powells Rücktritt. Mit Blick auf die sich abzeichnenden Schäden durch den Handelskonflikt mit China behauptete Trump, dass man bereits Gespräche mit China über die Zölle führe. Dies stellte sich aber als Lüge heraus.
Dow Jones mit zweistelligen Verlusten
Die Wall Street reagierte Anfang April mit einem Kurseinbruch auf die von Trump verkündeten Zusatzzölle. Der Dow Jones verlor alle Kursgewinne seit Anfang 2024 und gegenüber den Rekordständen bei gut 45.000 Punkten in der Spitze fast 19 Prozent. Beim für den Gesamtmarkt repräsentativeren S&P- 500-Index erreichte der Kursrückgang 21,3 Prozent (auf 4.835 Punkte) und beim Nasdaq-100 sogar 25,6 Prozent (auf 16.542,2 Zähler) – jeweils gegenüber den wenige Wochen zuvor erreichten Rekordhochs.
Verkaufswelle bei US-Staatsanleihen
Weitaus besorgniserregender als auf die Kurseinbrüche an den Aktienmärkten wurde eine Verkaufswelle bei US-Staatsanleihen registriert. In Reaktion auf Trumps „Tag der Befreiung“ erlebte der Anleihemarkt die stärksten Kursverluste seit Jahren. Die Rendite von US-Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit schoss binnen einer Woche von 3,9 Prozent bis auf fast 4,6 Prozent nach oben. Die Rendite für 30-jährige Anleihen näherte sich wieder der Fünf-Prozent-Marke und damit den Höchstständen der vergangenen zwanzig Jahre. Dies löste Sorgen um die Fähigkeit der USA aus, ihre immense Staatsverschuldung noch bedienen zu können.
Während sich für die USA die Aussichten für Inflation und Konjunktur selbstverschuldet verschlechterten, dürfte in der Eurozone wenigsten die Inflation unter Kontrolle sein. Im Gegensatz zur US-Notenbank konnte die Europäische Zentralbank ihre Leitzinsen weiter senken. Allerdings belastete die aggressive Zollpolitik von Trump auch außerhalb der USA die Konjunkturaussichten und damit ebenso die Aktienkurse. Der Euro-STOXX-50 verlor seine Zuwächse seit Jahresbeginn vollständig, kehrte aber recht schnell für das laufende Jahr in die Gewinnzone zurück. Auch der Deutsche Aktienindex DAX erholte sich binnen zweier Wochen größtenteils von dem Kurseinbruch, den Trumps Zusatzzölle ausgelöst hatten. Inzwischen rechnen die Märkte damit, dass die ausgesetzten US-Zölle auch gegen Europa nicht durchsetzbar sind.
US-Dollar verliert, Gold gewinnt
Trotz des vergrößerten Zinsvorteils des US-Dollars gegenüber dem Euro setzte die US-Währung ihren Abwärtstrend fort. Bevor Trump mit seinen Zollankündigungen die Märkte verunsicherte, hatte der US-Dollar Anfang Februar noch bei 1,02 USD/EUR notiert. Im April beschleunigte der fortschreitende Vertrauensverlust in die USA den Rückgang auf zeitweilig 1,157 USD/EUR. Der Dollar-Verlust von über 13 Prozent binnen drei Monaten führte den Euro auf den höchsten Wert gegenüber dem US-Dollar seit 2021.
US-Dollar gegenüber Euro auf Talfahrt
Gewinner des Vertrauensverlustes in die USA, seine Anleihen und seine Währung war das Gold. Der Goldpreis stieg auf neue Rekordhöhen und erreichte erstmals in seiner Geschichte den Wert von 3.500 US-Dollar pro Unze. Damit beschleunigte sich der Aufwärtstrend des Edelmetalls, der bereits das ganze vergangene Jahr geprägt hatte.
Blickpunkt: Wirkliche Risikostreuung
Viele haben sich täuschen lassen. Als Donald Trump die Präsidentschaftswahlen in den USA im vergangenen November gewann, feierte die Wall Street dies mit Kursgewinnen. Seine erste Präsidentschaft hatte mit Steuersenkungen und Deregulierung für steigende Unternehmensgewinne gesorgt, was höhere Aktienkurse in den USA rechtfertigte. Von der Wiederwahl im vergangenen Jahr erhofften sich viele Ähnliches.
Böses Erwachen nach Rekord-Kursgewinnen
Und nicht nur amerikanische Aktienanleger glaubten an eine positive Wirkung von Trump auf die Börsen, auch ausländische Investoren sahen sich in ihrer Entscheidung für US-Aktien bestätigt. Der seit Jahren anhaltende Zustrom ausländischen Kapitals an die US-Börse erreichte im vierten Quartal vergangenen Jahres, im Umfeld der Präsidentschaftswahlen, seinen Höhepunkt – und mit ihm die US-Aktienindizes. Der populäre Dow Jones Industrial Average Index erklomm am 4. Dezember Allzeithöchststände: 45.014 Punkte auf Schlusskursbasis und 45.073,6 Zähler im Handelsverlauf.
Knapp zwei Monate später, Ende Januar und damit kurz nach dem Amtsantritt Trumps, unternahm der Markt einen Versuch, diese Marken zu übertreffen, kam aber nicht mehr entscheidend über 45.000 Punkte hinaus. Dem S&P-500-Index gelang es dagegen noch im Februar, seine alten Rekordmarken knapp zu überbieten: neuer Rekord bei 6.147,4 Punkten. Ähnlich der Nasdaq-100-Index mit einem Rekordstand bei 22.222,6 Zählern. Damit erreichte auch der Börsenwert aller USAktien, die sogenannte Marktkapitalisierung, einen Höhepunkt. Die an der New York Stock Exchange und an der Nasdaq zusammen gehandelten Aktien von 5.455 Unternehmen kamen zusammen auf einen rechnerischen Kurswert von 62 Billionen US-Dollar.
62 Billionen US-Dollar Kurswert vor dem Trump- Schock
Zum gleichen Zeitpunkt wurden die knapp 4.000 japanischen Aktiengesellschaften zusammen mit nur 6,4 Billionen Dollar bewertet und die 2.275 an der Shanghai Stock Exchange gelisteten chinesischen Unternehmen mit 7,2 Billionen Dollar. Zum Vergleich: In Deutschland sind knapp 500 Unternehmen börsennotiert und ihre Marktkapitalisierung erreicht zusammen gerade mal 2 Billionen US-Dollar.
Der Marktkapitalisierung folgen die meisten Aktienindizes, auch die populären globalen Indizes wie MSCIWorld oder FTSE All-World. Unter Führung von USKonzernen wie Apple, Nvidia, Microsoft, Amazon und Alphabet, deren Börsenwert bereits mehrere Billionen US-Dollar erreichte, stieg der Anteil von US-Aktien in den globalen Aktienindizes auf Rekordwerte von über 70 Prozent.
Globale Dominanz von US-Aktien sorgt für Klumpenrisiken
Sogar bei Einbeziehung der Schwellenländer, allen voran China, wie dies bei „All Countries“ oder „All-World“- Indizes der Fall ist, erreichte der Anteil von US-Aktien rund 65 Prozent. Die zehn größten Aktienpositionen sind ausnahmslos Aktien von US-Konzernen. Obwohl solche Welt-Aktienindizes in mehrere Tausend Aktien investieren, weicht die Wertentwicklung deshalb kaum von der Wertentwicklung des US-Aktienmarktes ab, wogegen der Einfluss anderer Länder kaum spürbar ist. So kommt Japan in den globalen Aktienindizes in der Regel auf eine Gewichtung von nur 5 bis 6 Prozent – und steht damit weit abgeschlagen an zweiter Stelle nach den USA, aber noch vor allen weiteren Ländern.
Gleichzeitig kam es durch die Kursentwicklung in der Branchenbetrachtung zu einer Konzentration auf Informationstechnologie und Kommunikationsdienste. Diese Fokussierung sieht wie eine Bestätigung des amerikanischen Exzeptionalismus als nationalistische Ideologie aus. Man geht in der nationalen Perspektive davon aus, dass die Vereinigten Staaten von Amerika eine Sonderstellung gegenüber allen anderen Nationen einnehmen. Eine Ideologie, die offenbar auch das Leitbild des jetzigen US-Präsidenten ist. Schon im März begriffen mehr und mehr Marktbeobachter, dass diese krude Weltsicht und irrwitzige Pläne zum Umbau der Weltwirtschaft die Politik von Trump bestimmen.
Spätestens mit dem sogenannten „Tag der Befreiung“ Anfang April, der Erklärung des Handelskrieges der USA gegen den Rest der Welt (mit Ausnahme Russlands), musste es an den Börsen zu einem Stimmungsumschwung kommen. In den Folgewochen verzeichneten nicht nur US-Aktien hohe Kursverluste, auch US-Staatsanleihen und der US-Dollar litten unter einem weitreichenden Vertrauensverlust in die USA. Das bescherte Anlegern, die sich allzu sehr auf US-Investments konzentriert hatten, gleich doppelte Verluste. Während der Aktienmarkt 20 Prozent verlor (S&P-500 von Anfang Februar bis zum April-Tief bei 4.835 Punkten), fiel der US-Dollar von 0,98 Euro um gut 10 Cent auf 0,88 Euro. Für einen in Euro rechnenden Anleger verlor der US-Aktienmarkt somit binnen zwei Monaten rund 30 Prozent seines Wertes.
Global investierende ETFs und aktiv gemanagte Fonds als Verlierer
Wer, wie die einschlägigen Weltaktien-Indizes, mit zwei Dritteln seines Portfolios 30 Prozent Verlust erleidet, kann das nicht mit dem verbliebenen Drittel ausgleichen. Ein Klumpenrisiko, das erst jetzt vielen Anlegern bewusst wird. Gerade Anleger in ETFs auf Weltaktienindizes sind davon betroffen. Aber auch viele aktiv gemanagte Fonds haben sich zu einer sehr hohen Gewichtung der USA und des US-Dollars verleiten lassen. Eine neuerliche Eskalation der Handelskonflikte ist durchaus möglich. Ebenso dürften die Zweifel an der Bonität der USA und dem US-Dollar als Reservewährung früher oder später zunehmen. Das simple, aber sehr erfolgreiche Rezept der vergangenen 15 Jahre, einfach möglichst viel Geld in US-Aktien zu investieren, dürfte vor einer Bewährungsprobe stehen. Die „Wette auf die USA“ ist riskant geworden und sollte nicht mit zwei Dritteln oder gar drei Vierteln des investierten Kapitals eingegangen werden.
Strategiewechsel durch Höher-Gewichtung europäischer Aktien
Die gute Nachricht: Der Gleichlauf der Börsen hat seit Trumps Handelskrieg deutlich abgenommen. Risikostreuung ist umso erfolgreicher, je geringer die Korrelationen sind. Wer beispielsweise die europäischen Aktienmärkte höher gewichtet hat, hat im laufenden Jahr den MSCI-Weltaktienindex und die meisten Aktienfonds schlagen können. Und Gold hat seine Rolle in einem wirklich diversifizierten Portfolio unter Beweis gestellt. Während die meisten Rohstoffpreise unter den schlechteren Konjunkturaussichten litten, kletterte der Goldpreis auf neue Rekordhöhen – auch in Euro gerechnet. Das Plus von rund 14 Prozent seit Jahresbeginn wirkt in einem Gesamtportfolio wohltuend als Gegengewicht zum schwachen US-Aktienmarkt und US-Dollar. Anleger sind als mehr denn je gut beraten, wirklich breit gestreut zu investieren und nicht alles auf die US-Karte zu setzen.