Börsenbericht: Jahresauftakt zwischen Hoffen und Bangen
Der Jahresauftakt fiel an den Aktienmärkten durchwachsen aus. Vor allem die Zoll-Drohungen des nunmehr in sein Amt eingeführten US-Präsidenten Trump und die schwache chinesische Wirtschaft dämpfen die Zuversicht für das neue Jahr. Zudem enttäuschten mit Apple und Tesla sofort zum Jahresauftakt zwei der sogenannten Magnificent Seven mit ihren Geschäftsergebnissen, worauf beide Aktienkurse in der Auftaktwoche des Jahres jeweils knapp fünf Prozent verloren.
Sorgen um Anstieg von Inflation und US-Staatsverschuldung
Das von der Universität Michigan erhobene US-Konsumklima belegt, dass die Mehrheit der Amerikaner entgegen dem Wahlversprechen von Trump wieder mit mehr Inflation rechnet. Auch die zum Ende der Biden-Präsidentschaft starken Arbeitsmarktdaten mit Vollbeschäftigung und steigenden Löhnen drückten die Hoffnung auf bevorstehende weitere Leitzinssenkungen der US-Notenbank, was sowohl die Anleihe- als auch die Aktienmärkte belastete.
Kurz vor dem Amtsantritt von Trump verlief die Ausgabe neuer US-Staatsanleihen schlecht. Die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen stieg mit 4,79 Prozent in die Nähe ihres 15-Jahres-Hochs aus 2023 in Höhe von 5,0 Prozent. Angesichts einer US-Staatsverschuldung von über 120 Prozent des jährlichen Bruttoinlandsproduktes (BIP) könnte die Bereitschaft des Marktes abnehmen, unbegrenzt weitere US-Staatsschulden zu finanzieren. Zumindest wird sie wohl mit höheren Renditen erkauft werden müssen. Von 2020 bis 2023 unter Präsident Biden war die US-Staatsverschuldung in Relation zum BIP von fast 132 auf knapp 119 Prozent gesunken.
Stimmungsumschwung im Monatsverlauf nach positiven Zahlen
Erst neue Inflationsdaten in den USA sorgten im Monatsverlauf für eine bessere Stimmung. Der Verbraucherpreisindex in den USA stieg im Dezember um 2,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr, dagegen sank die Kerninflationsrate leicht von 3,3 auf 3,2 Prozent. Zudem fiel der Auftakt in die US-Berichtssaison mit guten Ergebnissen der großen US-Finanzinstitute erfreulich aus. Die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen sank daraufhin auf 4,6 Prozent.
Damit drehten auch die Aktienmärkte nach oben. Der Dow Jones Industrial Average holte einen Großteil der Kursverluste aus dem Dezember wieder auf und stieg über 44.000 Zähler, sodass der Rekord von Anfang Dezember bei 45.074 Punkten in greifbare Nähe rückte. Der S&P 500 Index schaffte das bereits und erreichte seinen Rekordwert bei 6.100 Zählern.
Von den oben genannten sieben großen US-Technologie-Konzernen unterstützten sechs die Kurserholung. An die Spitze setzte sich abermals der KI-Chip-Wert Nvidia mit einem Plus von rund 10 Prozent gegenüber dem Jahresbeginn.
Allein die Apple-Aktie konnte die schlechtere Stimmung aus der ersten Woche des Jahres nicht abschütteln und vergrößerte ihren Kursverlust im laufenden Jahr auf rund 10 Prozent. Der Nasdaq-100-Index näherte sich aber wieder der 22.000er-Marke. Wenig höher, bei 22.133 Punkten, hatte der Index Mitte Dezember seinen bisherigen Höchststand markiert.
Größere Chancen in Europa durch weitere Lockerung der Geldpolitik
In Europa sind die Chancen auf eine Unterstützung der Kapitalmärkte durch eine weitere Lockerung der Geldpolitik größer. Außerdem honorierten die Aktienmärkte, dass Trump seine Zolldrohungen gegen die EU nicht sofort konkretisierte.
Der Euro-STOXX-50 sprang darauf kraftvoll über die 2024 entstandene Widerstandszone bei 5.000 bis 5.122 Zählern und erreichte mit Werten über 5.200 Punkten den höchsten Stand seit über 20 Jahren. Nur während der New Economy-Euphorie im Jahr 2000 stand der europäische Leitindex höher, damals gestützt auf überzogen optimistische Annahmen, während der Anstieg jetzt von vielen Sorgen begleitet wird.
Der Deutsche Aktienindex (DAX) kletterte auf neue Rekorde über 21.000 Zähler. In den DAX-Performanceindex werden anders als beim Euro-STOXX-50-Kursindex die gezahlten Dividenden eingerechnet. Dies verschafft dem Performanceindex besonders langfristig einen Vorteil.
Höchststand beim Euro-Stoxx-50 mit über 5.200 Punkten
Der japanische Aktienmarkt startete dagegen ohne Schwung in das Jahr 2025 und der Nikkei-225-Index setzte seine Seitwärtsbewegung in der Bandbreite zwischen 38.000 und rund 40.000 Punkten fort.
Die Geschäftsjahre der japanischen Unternehmen und das für die Steuerberechnung geltende Fiskaljahr enden in Japan traditionell erst Ende März. Auch die chinesischen Börsen konnten von den guten Vorgaben vom US-Aktienmarkt nur wenig profitieren. Nicht zuletzt die Sorge vor US-Zöllen belastete.
Tiefstand beim Euro, Stabilisierung beim Goldpreis
Der Euro fiel im Verlauf des Januars gegen US-Dollar auf den tiefsten Stand seit über zwei Jahren bei 1,02 US-Dollar pro Euro, stabilisierte sich aber, bevor die Parität von eins zu eins wieder erreicht wurde, auf rund 1,04 US-Dollar.
Kryptowährungen profitieren weiterhin vom Politikwechsel in den USA, wobei sich Donald Trump und sein Umfeld Einnahmen in Höhe Hunderter Millionen US-Dollar durch die Ausgabe eigener Crypto-Coins verschafften.
„Echte“ Kryptowährungen wie Bitcoin, XRP (Ripple) und Solana erreichten neue Rekordwerte. Ein Bitcoin kam je nach Handelsplatz auf rund 109.350 US-Dollar.
Der Goldpreis stabilisierte sich oberhalb von 2.600 US-Dollar pro Unze und näherte sich im Verlauf des Januars seinem Rekordhoch von Ende November 2024 bei 2.790 US-Dollar.
Im Blickpunkt: Teure Indexschwergewichte und Chancen für kleine Aufholjäger
Nicht wenige Anleger werden die Ergebnisse ihrer Aktienfonds im abgelaufenen Jahr 2024 als enttäuschend empfinden. Nicht, weil gegenüber dem Vorjahr Verluste entstanden wären, was vereinzelt zwar auch der Fall ist. Sondern vielmehr, weil die Wertzuwächse vieler Aktienfonds hinter dem Anstieg populärer Aktienindizes wie MSCI World (plus 17 Prozent), S&P-500 (plus 23 Prozent) und DAX (plus 19 Prozent) zurückblieben.
Zur Ehrenrettung des aktiven Fondsmanagements sei gesagt, dass das Mittel der Aktienfonds durchaus in dieser Größenordnung liegt. Auf ein Plus von 19,8 Prozent beziffert etwa Morningstar das Durchschnittsergebnis von weltweit in Standardwerten anlegenden Aktienfonds. Gegenüber dem von Morningstar angesetzten Index (Global Target Market Exposure NR) ergibt sich im Schnitt aber eine Underperformance von gut 5 bis 6 Prozentpunkten, je nach Betrachtung in Euro oder US-Dollar.
Schwergewichte dominieren populäre Aktienindizes
Der starke Anstieg der populären Aktienindizes ist nicht nur in den USA einigen wenigen großen Indexschwergewichten zu verdanken. Auch der DAX profitierte vor allem vom Anstieg der SAP-Aktie, die jüngst auf neue Rekordhöhen stieg.
Mit fast 300 Milliarden Euro wird der deutsche Software-Hersteller jetzt bewertet. Das ist ungefähr das Zehnfache der jährlichen Umsatzerlöse oder das 40-fache des für dieses Jahr erwarteten Gewinns. Somit gehört SAP zu den Quality Growth-Titeln, die vergleichbar mit den großen US-Aktien sind, welche 2024 das zweite Jahr in Folge die Indizes nach oben gezogen haben.
Nimmt man die DAX-Gewinner Deutsche Telekom, Allianz, Siemens Energy, Siemens, Münchener Rück und Rheinmetall dazu, erklären diese 7 von 40 DAX-Aktien insgesamt 96 Prozent des 2024er-Anstiegs.
Auch beim S&P-500 ist der 2024er-Anstieg nahezu vollständig auf nur sieben Aktien zurückzuführen, die oben erwähnten Magnificent Seven. Sie machen mittlerweile rund 34 Prozent des S&P 500 Index aus.
Anstieg des S&P 500 in 2024 durch die Magificent Seven-Aktien
Fortsetzung der Erfolgsstorys als Triebfeder für hohe Bewertungen
Grundlos ist die Liebe der Anleger zu den Indexschwergewichten nicht. Sie glänzen mit beeindruckenden Wachstumsraten und teils rekordhohen Margen. Das rechtfertigt auch Bewertungen mit außergewöhnlich hohen Multiples, zumindest, wenn man von einer Fortsetzung dieser Erfolgsstorys ausgeht.
Aber die Konzentration auf wenige Schwergewichte stimmt etliche Marktbeobachter nachdenklich, darunter Goldman Sachs. Ein Blick in die Vergangenheit zeige, dass bereits kleine operative Enttäuschungen schnell dazu führen könnten, dass aus den hohen Bewertungen Luft entweicht. Deshalb erwartet Goldman Sachs, dass in den kommenden zehn Jahren der gleichgewichtete S&P 500 Equal Weight besser abschneiden dürfte als der heute von den Magnificent Seven geprägte „normale“ S&P 500 Index. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass von den großen Gewinnern der vergangenen Jahre zukünftig weniger zu erwarten ist.
Leitet Rückkehr zum Mittelwert eine Phase der Underperformance ein?
Mit der Prognose einer unmittelbar bevorstehenden Aufholjagd von Aktien aus der zweiten und dritten Reihe lagen Experten bislang falsch. Auch die Aussagen von Goldman Sachs beziehen sich nicht zwingend bereits auf 2025, sondern einen Zeitraum der kommenden zehn Jahre. Tatsächlich leiten auch hierzulande Kapitalmarktexperten wie Nobert Keimling von Taunus Trust aus der hohen Bewertung der US-Schwergewichte für einen mehrjährigen Zeitraum die Erwartung einer signifikanten Underperformance ab. Wenn sich Aktienmärkte so weit vom langfristigen Durchschnitt entfernt haben, habe es stets eine Mittelwertrückkehr gegeben. Aber auch hier ist es nicht möglich, den Beginn dieser Entwicklung zwingend für das laufende Jahr vorauszusagen.
Parallelen kann man zum US-Aktienmarkt Anfang der 1970er-Jahre und zum japanischen Aktienmarkt Ende der 1980er-Jahre ziehen. In beiden Fällen war eine ähnliche Bewertungse uphorie für die Indexschwergewichte zu beobachten. Und es war kein guter Zeitpunkt für passive Indexinvestments, denn auch zehn Jahre reichten nicht, um positive Renditen zu erzielen. Die Börsengeschichte zeigt also, dass die Bewertung von Aktien beim Kaufzeitpunkt eine große Rolle spielt, gerade über längere Zeiträume.
Rückkehr der Small und Mid Caps durch Zinssenkungszyklus?
Die andere Seite der Medaille ist die Underperformance der Nebenwerte. Sie werden mit dem größten Abschlag gegenüber der historischen Durchschnittsbewertung seit Jahrzehnten gehandelt. Rückblickend können die Gründe identifiziert werden, die Small und Mid Caps belastet haben. Nick Sheridan, Fondsmanager bei Janus Henderson Investors, verwies unlängst auf den Anstieg der Zinsen und Befürchtungen über den Wirtschaftszyklus insgesamt. Höhere Zinsen belasteten kleinere Unternehmen in zweierlei Hinsicht. So wirkten sich höhere Kreditkosten aufgrund ihres höheren Anteils an variabel verzinslichen Schuldtiteln potenziell stärker aus. Gleichzeitig nahm die Risikoaversion zu, was größere Unternehmen begünstige, die generell als defensiver wahrgenommen würden. Die Befürchtungen um das Wirtschaftswachstum treffen kleinere Unternehmen aufgrund ihrer Zyklizität, also ihrer stärkeren Abhängigkeit vom Wirtschaftswachstum, besonders hart, da sie stärker zyklischen Sektoren wie Industrie, Grundstoffen und zyklischem Konsum zuzurechnen seien.
Mit Blick auf 2025 erwarte man bei Janus Henderson, dass sich diese beiden Aspekte zugunsten von Small Caps entwickeln könnten. Die USA, Großbritannien und Europa befänden sich mitten in einem Zinssenkungszyklus. Zwar bleibe die Inflationsentwicklung angesichts der aktuellen politischen Unsicherheit unklar, und die Zinsen würden nicht auf Null zurückgehen, doch es gebe noch Spielraum für weitere Zinssenkungen im neuen Jahr – ein Szenario, in dem es nur schwer vorstellbar sei, dass dies nicht zu einer deutlichen Outperformance von Small Caps führe. Nebenwerte könnten 2025 nicht nur ein bedeutendes Aufwärtspotenzial bieten, sondern auch zu einer besseren Diversifizierung innerhalb der Aktienallokation beitragen – und dies stärker als in den vergangenen Jahrzehnten.